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ungewiß, und man kann nicht einmal unbedingt einen späten wün-
schen. Es könnte auch langes Leiden sein.
So, lieber August, habe ich, wie ich immer gern tue, mein
Herz gegen Dich ausgeschüttet. Lebe wohl!
Von inniger Seele Dein treuer Vater H.

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»Es ist ein Mensch fertig«, meinte Frau v. Humboldt, als sie sich
im Januar 1829 am Ziel glaubte. Aber noch galt es Leidensstunden durch-
zukämpfen, noch einmal sollte sie am 23. Februar ihren Geburtstag, den
zweiundsechzigsten, erleben.
Große Leiden wechselten mit erträglichen Augenblicken, in denen die
Kranke noch die kraftlose Hand zum Schreiben an die fernen Lieben zwang.
So schrieb sie am 17. März an Hedemann, der in seine Garnison hatte
zurückkehren müssen:


Teurer Sohn! Dein Brief, Deine Liebe, Deine Teilnahme
haben mich unaussprechlich gerührt. Ich habe sehr kranke Tage
gehabt, besonders dadurch, daß mir aller Mut des Leidens aus-
ging, nicht Ergebung, aber Mut. Ach, mein liebster Sohn, da
ist einem denn alles genommen. Heut fühle ich mich doch etwas
gehoben. Ein Strahl von oben ist in mein tief, tief gesunkenes
Gemüt gekommen, Gott wird mir nicht mehr auflegen, als ich
tragen kann, Gott wird meine stillen Tränen erhören und auf die
eine oder die andere Art wieder Licht in dies dunkle Leiden strahlen
lassen. So viele liebe Menschen beten ja mit mir.
Dieffenbach fährt fort, mich mit großer Sorgfalt zu behandeln.
Rust scheint körperlich gerettet, sein Zustand hat mir große Angst
gemacht, ich bin zu schwach, die Details zu schreiben. Der Seelen-
zustand der Frau war erschütternd. So verklärt, so heiligt und er-
hebt jedes einzelne Individuum die Liebe!
Ich danke Dir, wie man nur danken kann, daß Du uns die

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