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[   Band 7 Brief 149:    Humboldt an Caroline    Schulpforta, 14. Dezember 1826   ]


gut kennt, und er auch eine große Bücherkenntnis besitzt, so ist
mehr Gespräch jetzt zwischen mir und ihm, als ehemals möglich
gewesen wäre. Wenn er Stunden hat, bin ich mit der Frau
allein und höre dann die Fülle der Geschichten, die seit meinem
letzten Hiersein vorgefallen sind. Das solltest Du wohl nicht
glauben, daß gegen den Sohn Netze ausgestellt worden sind, ihn
zu heiraten. Er hat aber sehr vernünftig widerstanden. Jeder
Mensch hat doch seine Gefahren. 
Ganz besonderen Stoff zu Gesprächen mit Ilgen geben meine
eigenen letzten Arbeiten. Ich habe Dir, glaube ich, gesagt,
daß der kleine Konrektor Schmidt, der Dir gut gefiel, eine Schrift
gegen eine Abhandlung von mir geschrieben hatte. Der Gegen-
stand war sehr unverfänglich, der Begriff des Infinitivs, und der
Mann hatte seine Widerlegung auch ganz höflich eingerichtet, so
daß ich ihn auch wieder sehr höflich behandelt hatte. Hier höre
ich nun, daß er eine äußerst eitle Frau zur Mutter haben soll,
die in Naumburg wohnt. Diese hat schon vor dem Erscheinen
der Schrift mit großem Ruhm verkündigt, daß ihr Sohn mich
nun ganz und auf ewig widerlegen würde. Den alten Ilgen hatte
das verdrossen, er war auf das Erscheinen der Schrift aufmerksam
geblieben und hat nun eine förmliche Widerlegung dieses Angriffs
auf mich sehr ausführlich gemacht, die er mir heute vorgelesen hat.
Ob es indes gedruckt werden wird, steht dahin. Die gegen mich
gemachten Einwendungen waren leicht zurückzuweisen, aber es war
auch sonst viel Gutes in dem Geschriebenen, und vieles einzelne
hat mich wirklich darin sehr interessiert.
Mit meiner letzten Abhandlung über die Bhagavad Gitâ *)
habe ich aber besonderes Glück. Solltest Du glauben, daß auch
die auf Ilgen viel Eindruck gemacht hat, was ich mir nie hätte

———
*) 1826 in den Abhandlungen der Berliner Akademie zuerst er-
schienen.

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