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[   Band 7 Brief 145:    Caroline an Humboldt     Wildbad Gastein, 26. August 1826   ]


145. Caroline an Humboldt  Wildbad Gastein, 26. August 1826

Heute früh habe ich, teuerstes Herz, Deinen lieben Brief
vom 14. August empfangen, wie ich aus dem Bade kam.
Das Bad muß nach Meinung der Ärzte allen rheuma-
tischen Stoff im Körper aufsuchen. Diese Nacht, nachdem ich
ziemlich gut zwei Tage gewesen war, konnte ich vor Schmerzen in
den Oberarmen kaum ruhen. Storch und Rust meinen, das müßte
abgebadet werden (ein hiesiger Kunstausdruck). Ich habe heute
mein 21. genommen. Die Herren Doktoren haben noch gar nicht
entscheiden wollen, wie viel Bäder ich nehmen sollte, ich habe, aber
vergebens, danach geforscht. Tageweise ist mein Befinden und
Aussehen auffallend besser, auch das Gehen und Aufstehen und
Niedersitzen merklich besser, dann bin ich wieder weniger gut, doch
nie so schlimm und so schwach, wie ich die letzten Wochen in Tegel
war.
Der Minister von Montgelas und der Erzherzog *) sind heute
früh abgereist, und wer, denkst Du wohl, der an die Stelle und
in die Zimmer des letzteren kommt? Gentz **), der Edle! Man sagt,
er brächte einen ganzen Hausstand mit, Koch und einen verheirateten
Kammerdiener mit dessen Kindern. Ein Packwagen von seinen
Effekten ist bereits gestern angekommen.
Was Du über das Leben und den Tod sagst, hat mich tief
ergriffen. Es ist mir aus der Seele heraus gefühlt. Ja, wir wollen
hoffen, der Himmel öffnet sich, wenn mild und bergend die Erde
uns aufnimmt. Schon im Leben gewahrt man die unendlichen
Täuschungen, denen man unterlag, wenn aus einem reineren Dasein

———
*) Johann, geb. 1782, † 1859, der spätere »Reichsverweser« über
Deutschland.
**) Friedr. v. Gentz, der bekannte Publizist und Staatsmann, geb. 1764,
† 1832.

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