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[   Band 7 Brief 135:    Humboldt an Caroline    Herrnstadt, 1. Mai 1826   ]


größten Effekt. Seiner Miene nach glaubte er offenbar, daß
Kegel Krieg und Frieden in seiner Tasche trug. Ich beobachtete
auch ein geheimnisvolles Schweigen, und die Geschichte hat gewiß
den Abend die ganze gebildete Welt in Prausnitz beschäftigt.
Theodor ist aber einzig, es ließ sich doch begreifen, daß, da ich
Hedemann so bald selbst sehen mußte, ein Brief von ihm nicht so
wichtig sein konnte. Der andere Brief war dem Postzeichen nach
aus dem Posenschen, also natürlich nicht im Zusammenhang mit
der Pachtangelegenheit. Da es indes immer eine Aufmerksamkeit
war, habe ich en bon prince alles gebilligt.
Wir werden übermorgen bei Loëns essen, da ein Ruhetag ist.
Ein Puter wird schon lange für mich gemästet, und der Tod geht
meinem Wagen voran.
Die Nachrichten von Tegel und die Lauben freuen mich. Du,
armes Kind, wirst doch jetzt nicht mehr mit der Bank zusammen-
stürzen. Daß einige Pfeiler haben müssen neu ausgemauert werden,
wundert mich nicht. Sie stammen von meinem Vater, von
meinem zwölften Jahr her. Sie haben meine Aufmerksamkeit
zuerst auf die Skulptur gewandt, und da ich damals viel die Bibel
las, hatte ich das große Projekt, aus einem großen Stück Kreide
die Bundeslade auszuschneiden.

                                                       Den 2. Mai
Ich danke Dir unendlich, liebste Li, für Deinen langen Brief
vom 29. April, den ich heute empfangen habe. Alexanders Brief
scheinst Du nicht gelesen zu haben. Er enthält aber eine merk-
würdige Stelle über sein Kommen, die ich Dir notwendig ab-
schreiben muß. Es erfordert Überlegung, darauf zu antworten. Die
Stelle lautet so: »Je suis tout à fait attristé, mon cher ami, de
tout ce que tu me dis des souffrances de la pauvre Li. Je te
conjure de ne pas retarder d’un seul jour son voyage aux eaux
par les projets de mon arrivée. Il ne faut pas être trop léger

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