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[   Band 7 Brief 55:    Humboldt an Caroline    Dessau, 25. März 1822   ]


es sich weniger aus, weil es, in Übereinstimmung mit der Archi-
tektur der eisernen Art Kapelle oder Kanzel, auf allen Ecken starke
Vorsprünge hat. Nun werden die Flächen kleiner, und die inneren
von den Vorsprüngen beschattet, und es sieht nicht so groß und
licht aus. Dabei bleibt es doch immer nordischer Granit, der nie
den schönen und heitern Schimmer des orientalischen erhält. Indes
ist es immer zu preisen, daß so etwas einmal da steht.
Man kann jetzt wegen der ausgetretenen Elbe nicht über
Wörlitz fahren, sondern muß über Oranienbaum gehen. Wenn Du
nicht Luthern zuliebe über Wittenberg reisen willst, so gehe lieber
über Coswig. In Oranienbaum ist die ungeheure Orangerie, 700
Bäume. Ich habe sie besehen. Es sind zwei Balkons dicht unter
der Decke angebracht, wo man von oben auf die Gipfel der Bäume
wie auf einen Orangenwald sieht. Es ist ein überaus hübscher
Anblick.
Loëns *) haben mich äußerst freundschaftlich aufgenommen. Er
war mir entgegengegangen und begegnete mir mit Leopold schon in
der Stadt. 
Heute vormittag werde ich vermutlich noch den Herzog **), die
Herzogin **) und die Fürstin-Mutter ***) sehen. Essen werde ich
wohl bei Augusts Mutter. Morgen erreiche ich Deine Domäne,
geliebtes Herz.
Nun lebe wohl, geliebte Seele, folge mir ja recht bald. Es
ist doch nirgends hübsch als mit Dir. A propos! Erinnerst Du
Dich eines alten Gesamtrats (quel titre!) von Krosigk? Der hat

———
*) Frhr. Friedrich v. Loën, Hofmarschall in Dessau, seine Frau ge-
borene v. Hedemann. Leopold v. Loën sein Sohn.
**) Leopold Friedrich Herzog von Anhalt-Dessau, geb. 1794, † 1871,
vermählt mit Prinzessin Friederike von Preußen, Nichte Friedrich Wil-
helms III.
***) Amalie, Prinzessin von Hessen-Homburg, geb. 1774, † 1846, Witwe
des Erbprinzen Friedrich.

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