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[   Band 7 Brief 39:    Caroline an Humboldt     Prag, 12. Juni 1821   ]


erscheint mir sozusagen wie durch einen matten Flor. Nur die
Liebe, die ewig gleiche und womöglich immer wachsende Liebe zu
Euch Kindern fühl ich lebendig in mir. Und von der, das weiß
ich, — und von Gott, der aller Liebe Urquell ist, kommt mir die
Gewißheit, — von der scheidet man nicht mit dem Leben.«


Humboldt ist in dieser Zeit öfter in Tegel, wo der Bau des Hauses
begonnen wird. Zum erstenmal stellen sich auch bei ihm die Anfänge
gichtischer Beschwerden ein, die er der Gattin launig meldet:

»Ich habe auch beständig Schmerzen im rechten Zeh, liebes
Kind, also endlich das längst gewünschte Podagra. Auch bin ich
sehr zufrieden damit. Sonst genoß ich den Zeh gar nicht und wußte
kaum, ob ich ihn hatte. Könnte ich Dir, liebe Seele, nur die
Schmerzen abnehmen!«


Mitte Mai finden wir Humboldts in Ottmachau, das Li nun erst
kennen und in vierwöchigem Aufenthalt lieben lernt. Dann aber muß sie
wieder die Bäder von Karlsbad und Teplitz aufsuchen, begleitet von der
Tochter Caroline, deren Liebe, Heiterkeit und tätige Sorge sie immer wieder
lobt. Sie schreibt:


39. Caroline an Humboldt                                Prag, 12. Juni 1821

Bis Prag sind wir glücklich gekommen, mein teures
Herz. Wir haben die letzte Nacht in Böhmisch
Brod zugebracht, weil wir Prag erst um 2 Uhr
nachts hätten erreichen können, und mein ganz un-
bändig Kopfweh es mir gestern abend unmöglich
machte, länger zu fahren. Der Weg war überall leidlich, außer
kurz vor Nachod und gestern zwischen Chlumez und Collin. Von
der Schlechtigkeit sieht man gottlob selten Wege. Vor Nachod,
kurz vorher, ist eine niedrige kleine Brücke, die wahrscheinlich durch
die Gewalt des Wassers (denn überall sah es aus, als wären

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