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[   Band 6 Brief 232:    Humboldt an Caroline    Berlin, 16. August 1819   ]


Liebe denkbar. Man muß sich immer erst verlieren, um sich schöner und
reicher wieder zu empfangen. Aber eine Leere läßt es dann frei-
lich im Leben zurück, und ich glaube nicht, daß außer den Stunden
und Zeiten des glücklichen Hervorbringens Goethe eigentlich glück-
lich oder reich in sich beschäftigt ist.
Lebe innigst wohl, mein ewig Teures, und denke an mich,
wenn Du des Morgens aufstehst. Nach 5 kannst Du immer an-
nehmen, daß ich an meinem Schreibtisch sitze.


233. Humboldt an Caroline                        Berlin, 18. August 1819

Friedländer *) hat mir gestern erzählt, daß seit meiner An-
kunft und gleich mit ihr alle Staatspapiere beträchtlich
gestiegen sind. Er ist ein sehr einfacher Mensch, der
nicht schmeichelt. Das Steigen ist gewiß. Aber, daß ich für die
Ursache gehalten würde, habe ich sonst nicht gehört, darum schweige
ich auch davon. Ob man solche Erwartungen wird erfüllen können?
Man kann sich dessen kaum schmeicheln. Wie ich jetzt die Sache
sehe, so wird man nicht offene und starke Widersacher zu bestreiten
haben, dagegen zu kämpfen mit der Trägheit, die nicht vom Fleck
kommt, mit der Mittelmäßigkeit, die kein Mittel zu ersinnen weiß,
mit dem heimlichen Widerstand, der, da er nicht mich entfernen oder
geradezu herunterbringen kann, doch lähmen und aufhalten will. In
einem Staat ist das das Schrecklichste, da das Kostbarste, die Zeit,
darüber verloren geht. Ich selbst bin nun noch mit den ganz ersten
Einrichtungen beschäftigt, aber ich habe mir meinen Gang vor-
gezeichnet und werde denn doch sehen, wie weit es möglich sein
wird, darauf fortzukommen. In meinen Briefen an die Ober-

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*) David Friedländer, geb. 1750, † 1834, Bankier.

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