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[   Band 6 Brief 178:    Humboldt an Caroline    Frankfurt, 12. Februar 1819   ]


Lebe wohl, mein teures, innigstgeliebtes Herz Warum bist
Du nicht bei mir? Sei aber ja ruhig, auch mit dem Lande wird
es gut gehn, selbst wenn ich jetzt zurücktreten muß. Ewig Dein H.


179. Humboldt an Caroline               Frankfurt, 15. Februar 1819

Seit meinem letzten Brief an Dich, teure Li, ist nichts in
meiner Sache vorgefallen.
Also den 30. Januar kamst Du von Paris vor
14 Jahren zurück. Ich habe ein unglückliches Gedächtnis für die
Monats- und Wochentage. Aber des Entgegenfahrens erinnere
ich mich, als wenn es heute wäre. Es war mir eine zwiefache,
unendliche Freude, Dich wieder zu erlangen mit den Kindern und
Dir die beiden Mädchen wohl und schön wieder zuzuführen.
Wann und wo werden wir uns jetzt entgegenkommen? Für un-
möglich halte ich mein Kommen nach Italien noch nicht. Die
Dinge sind auf die Spitze gestellt, es geht dem Staatskanzler ge-
wissermaßen an das Leben, er ist höchst leidenschaftlich, verblendet,
kaum von ein paar Menschen umgeben, und wenn er einen Schritt
tut, ist er durch die Lage der Dinge unwiderruflich. In 14 Tagen
muß es sich entscheiden. Es ist eine ganz eigene Empfindung,
so auf dem Scheidewege zwischen einer das ganze Leben an sich
reißenden Tätigkeit und einer ebenso unbedingten Muße zu stehen,
und ich habe nur darum die Empfindung weniger und nicht ganz
rein, weil ich den letzten Fall doch eigentlich nunmehr für sehr
unwahrscheinlich und nur bloß nicht unmöglich halte. Ich werde
hineinkommen, daran zweifle ich eigentlich nicht. Aber wenn ich
auch alles erlange, was mein letzter Brief fordert, doch auf keine gute

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