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[   Band 6 Brief 148:    Caroline an Humboldt     Rom, 16. November 1818   ]


nichts vorwerfen. Wer weiß, wie es geworden wäre, wenn ich
mit der ermatteten Brust den Winterstürmen entgegengereist wäre.
Wenn Schnee in der Luft ist und auf den Apenninen fällt, wie
es im Anfang dieses Monats der Fall war, so spüre ich es gleich.
Im übrigen aber geht es mir leidlich . . .
Du kannst wohl denken, wie ich auf Deine nächsten Briefe
aus Aachen gerichtet bin. Über die Lupe, anwendbar auf die
Schriftzüge, habe ich sehr lachen müssen. Ich lese die Deine vor-
trefflich, allein für viele mag sie eine Art Chiffre sein.


149. Humboldt an Caroline                  Aachen, 20. November 1818

Ich führe hier ein sehr einförmiges und wirklich langweiliges
Leben. Ich gehe äußerst wenig aus, esse alle Mittag beim
Staatskanzler, schlafe aber dafür recht gut und gern noch
einmal so viel als in London. Bei dieser Lebensart habe ich den-
noch weniger Zeit, als man denken sollte. Es kommen doch immer,
meistenteils in Privat-, manchmal in öffentlichen Angelegenheiten
eine Anzahl Briefe, und da niemand hier bei mir ist, muß ich alles
selbst machen, zum Teil sogar abschreiben. Die Muße, die mir
bleibt, wende ich an, um deutsche Bücher zu lesen, die ich durch
Koreff leicht erhalte. Alexander ist gewöhnlich auch einige Stunden
des Tages bei mir. Er ist überaus amüsant. Wenig Menschen
haben in dem Grade das Talent, das Tun, Treiben und Reden
derer, die sie um sich sehen, so zu schildern, nachzumachen und zu
kommentieren, und da er viel ausgeht, so habe ich die Wiederholung
des Tages morgens oder abends fast regelmäßig.
Mit dem Staatskanzler bleibt mein Verhältnis hier, wie es

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