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[   Band 6 Brief 115:    Humboldt an Caroline    London, 25. August 1818   ]


115. Humboldt an Caroline                     London, 25. August 1818

Die Zeitungen sagen jetzt, und zwar auch die deutschen, auf
einmal, daß ich, Stein, Anstetten *) und Alopäus **) nach
Aachen kommen würden. Von Alopäus ist es schon wahr
geworden. Er ist wirklich da, aber nur, um die Wohnung für den
Kaiser Alexander einzurichten. Von Anstetten ist es sehr glaublich,
nicht eben zur Arbeit beim Kongreß, aber um dem Kaiser seine
Cour zu machen, und Steinen einzuladen hinzukommen würde ganz
in den Gesinnungen des Kaisers liegen, der ihn wirklich liebt.
Überhaupt ist mir dieser Zeitungsartikel aufgefallen, weil die Zeitungen
seit vielen Monaten über mich ein tiefes Stillschweigen beobachtet
haben, das schwerlich ganz von ihnen selbst herkam. Es ist über-
haupt gar nicht zu leugnen, daß man seit dem Ende des vorigen
Jahres an allen deutschen einen starken Einfluß der Regierungen
bemerkt. In vieler Rücksicht ist das sehr gut. Die Lizenz ging
zu weit.
Die Schlabrendorffin treibt ihr wüstes Wesen hier fort. Glück-
licherweise sehe ich sie wenig. Ich bat sie vorgestern, mit mir
zu essen. Sie antwortete mir aber, gewiß ohne unhöflich sein zu
wollen, in ihrer jetzigen Manier: »Ich bin hier, um London zu
sehen, und dazu kann mir das Essen bei Ihnen nichts helfen.«
Ich war darauf gestern bei ihr und sagte ihr ganz demütig, sie
möchte mir nur selbst sagen, wenn sie bei mir sein wollte. Nun
hat sie nächsten Freitag erwählt. Natürlich ganz allein, denn wen
könnte man zu ihr bitten? Einer fällt mir zwar eben ein, ein
Prediger Schwabe aus Erfurt, der hier Prediger ist und durch

———
*) Johann Portasius v. Anstett, geb. 1766, † 1835, russischer Diplomat,
hatte an den Kongressen von Prag und Wien und den Pariser Friedensunter-
handlungen teilgenommen, wurde 1818 russischer Gesandter bei dem Bundes-
tag in Frankfurt a. M. 
**) David Graf Alopäus, geb. 1769, † 1831, russischer Gesandter in Berlin.

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