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[   Band 6 Brief 79:    Humboldt an Caroline    London, 5. Mai 1818   ]


79. Humboldt an Caroline                             London, 5. Mai 1818

Ich schreibe Dir heute, teures Herz, an des lieben, seligen
Wilhelms Geburtstag. Wie wäre alles so anders, wenn
er noch lebte! Er war immer so lebendig, so verständig,
so gut; wenn ihn das Schicksal durch den Krieg, den er gewiß
mitgemacht haben würde, gebracht hätte, wäre er uns jetzt eine große
Freude und Beruhigung. Es hat nicht sein sollen, und der gute
Kleine hat vielleicht nicht verloren. Er ruht nun an schönem Ort,
und was man früher oder später zu Grabe geht, verschwindet
immer wie nichts gegen die unendliche Zeit, die man darin ruht.
Aber uns hat sein Tod auf ewig und zuerst Schmerz und Weh-
mut ins Leben gemischt, die uns bis an den unsrigen begleiten
werden.
Ich freue mich immer mehr, dem König um meine Zurück-
berufung geschrieben zu haben, und werde immer unerschütterlicher in
meinen folgenden Plänen, die einfach die sind, nichts anzunehmen,
was nicht in Berlin ist, dort nicht ins Ministerium zu gehen, solange
es so bleibt, beim Staatsrat zu arbeiten, und so wie der meine
Anwesenheit in Berlin nicht notwendig macht, in Burgörner zu
bleiben. Das wahrhaft Gute kann nur dort geschehn, und ich will
jetzt nicht dadurch, daß ich mich weiter zu halben Existenzen ver-
leiten lasse, das lähmen, was ich dazu mitwirken kann. Ich fürchte,
daß ich vorzüglich einen Sturm auszuhalten haben werde. Den,
daß man mir Vorschläge macht, Bundesgesandter zu werden. Es
paßt ganz in das Entfernungssystem und würde selbst die öffent-
liche Meinung, die mit dem Hierherschicken unzufrieden war, gewisser-
maßen versöhnen. Es ist mir nichts gleich wahrscheinlich, allein
ich tue es nicht. Auf den Bundestag kann nur in Berlin und in
Wien, nicht in Frankfurt gewirkt werden.
Über die hiergemachte Anleihe habe ich noch keine Nachricht

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