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[   Band 6 Brief 26:    Humboldt an Caroline    London, 10. Dezember 1817   ]


Die Zeitungen sind, wie Du sagst, wirklich unausstehlich hier,
schon darum, daß sie einen zwingen, sie täglich zu lesen. Wenig-
stens drei der ungeheuren Blätter muß man täglich zu sich nehmen,
ohne es fast ändern zu können. Sie sind eine Macht, es wäre
vergebens, es abzuleugnen.
Ich sehe in Deine Briefe und finde die himmlische Stelle
über das Hervortreten St. Peters aus dem Morgenduft. Wie
gut und lieb Du bist, bei dem Genusse Roms so innig und liebe-
voll meiner zu gedenken, geliebtes Herz. Es erfüllt mich oft mit
der heißesten Sehnsucht. Wann und wo werde ich Dich wieder-
sehen? Künftigen Sommer gewiß, und ich hoffe mehr denn je,
daß wir einer stillen, einsamen Existenz entgegengehen. Es scheint
mir, als reiften die Dinge allmählich, und als würde man mich
ganz gern missen. Das, wenn es einmal so sein soll, ist mir das
Liebste; ich hasse alles Gewaltsame.
Du bemerkst in einem Deiner letzten Briefe, teure Seele,
daß Du einen von mir sichtbar aufgemacht bekommen hast.
Dasselbe ist mit mehreren der Deinen der Fall gewesen,
und gewiß hat man alle gelesen; dies ist ein Nachteil, den
ich, wenn wir die Briefe über Frankreich gehen ließen, vor-
aussah. Allein ich bitte Dich doch, ferner immer auf dem
gleichen Wege zu schreiben, und ich werde es auch tun. Der
Umweg über Frankfurt am Main und Holland oder gar über
Berlin ist zu schrecklich. Dann ist man dort ebensowenig vor dem
Aufmachen sicher. Was tut es viel, wenn man unsere Briefe
liest? Das meiste verstehen die Lesenden sicher nicht, nichts von allem,
was uns beide persönlich betrifft. Über öffentliche Dinge schreiben
wir in der Regel nicht, wenn ich es tue, ist es über Berlin, und
so, daß mir auch nicht viel daran liegen würde, wenn man selbst
dort es wüßte und sähe. In Frankreich ist es aber noch unbe-
deutender.

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