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[   Band 5 Brief 167:    Caroline an Humboldt     Neapel, 6. Julius 1817   ]


ich bedeutend mehr geben, dort würde mir die Zeit des Hierbleibens
100 Ducati gekostet haben, hier 200. Allein ich mußte zugreifen.
Ich wohne nun geräumig und gut.
Unsere Einsamkeit ist total, die Lage unseres Kasinos
ungemein schön, mehrere Terrassen, die zu einer schön an-
gebauten Vigne führen, von jeder die verschiedenartigste Aussicht
auf die Berge der Insel und auf das Meer, auf diesem alle
Inseln, Ponza, Procida, Cap Miseno und Bajä, im Hinter-
grunde der rauchende Vesuv, darüber der unendliche Himmel.
Ach, was gäbe ich darum, in dieser tiefen Stille mit Dir zu
sein! Die ganze Insel scheint ein einziger kolossaler Berg ge-
wesen zu sein, vielleicht im Streit ungeheurer Naturkräfte und
vulkanischer Explosionen auseinandergerissen. Jetzt ist alles ange-
baut, die ganze Insel ein Weinberg, einzelne Vorberge bilden dem
Meere tiefe Buchten, zackigte Lavafelsen zeigen sich überall und
stechen mit ihrem düstern Grau wunderbar gegen das frische Grün
des Weinlaubes und das Saphirblau des Meeres ab. Das Volk
ist gut und arbeitsam, ein Verbrechen, eine Dieberei sogar un-
erhört, alles schläft hier mit offenen Türen in tiefster Ruhe.


168. Humboldt an Caroline                       Berlin, 11. Julius 1817

Ich bin vorgestern, am 9. gegen Mittag, wieder hier ange-
kommen, geliebte Seele. Meine Reise war sehr kurz
und etwas ermüdend allein doch immer so, daß es mich
freut, sie gemacht zu haben. Ich war mit dem Großherzog ge-
wissermaßen auseinandergekommen; es war nicht meine Schuld,
aber es tat mir leid. Wir sind einmal sehr freundschaftlich mit-
einander gewesen, und dann sehe ich so ein Band immer ungern
zerreißen. Diese Reise war, ohne daß es sich aussprach, eine

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