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[   Band 5 Brief 146:    Humboldt an Caroline    Berlin, 18. Mai 1817   ]


dunkel umzogen, und es ging kein Mensch mehr. Ich gehe gar
nicht gern in Gesellschaft, wenn ich ein Stück mit Interesse gesehen
habe. Es hallt einem doch immer nach in der Seele.
Die Herz war heute früh bei mir. Sie geht erst gegen den
Herbst nach Italien, nämlich so, daß sie Mitte Oktober in Rom
sein will, wo sie Dich gewiß dann zu treffen hofft.
Bernstorff *) ist mit seiner Frau angekommen. Ich habe ihn
gesehen, aber sie nicht zu Hause gefunden. Ich vermeide das
Corps diplomatique teils der Langeweile wegen, teils um mir nicht
den Schein zu geben, mich in die auswärtigen Geschäfte hier
mischen zu wollen.
Ich habe heute mit Bülow beim Finanzminister gegessen, wo
fast niemand als alles, was jetzt von der Familie hier ist, war.
So sonderbar auch die Lage ist, in der sich der Finanzminister gegen mich
befindet, so glaubt er nicht von mir lassen zu können. Er spricht
ewig davon, daß ich hierbleiben müßte. Ich habe ihm noch heute
sehr offen gesagt, es gehe in keinem Ministerium, ohne Ausnahme,
wie es solle, was solle ich nun hier dabei machen und mich
fruchtlos streiten. Es hilft nichts, daß man dazu beiträgt, daß
die Menschen in einem Irrwahn bleiben. Die traurige Wahrheit
muß doch an den Tag kommen. Die Nemesis ist eine große
Göttin. Ach, Du bist jetzt mitten unter den Göttern, wo es einem
viel schöner heidnisch zumute ist. Vergiß mich nicht, innigge-
liebtes Herz, bedenke, daß ich indes lebe, wo es arm und dunkel
ist. Wenn ich nur einmal mit Dir am Testaccio und am Albaner
See sein könnte! Es hat mich unendlich gerührt und gefreut, daß
Du sagst, daß ich Dir sehr fehle. Du bist so wundergut. Aber
ich hätte und habe auch kein lieberes Dasein, als für Dich zu
sorgen und Dich mit Liebe und Zärtlichkeit zu umgeben. Dies

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*) Vgl. S. 156.

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