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[   Band 5 Brief 104:    Humboldt an Caroline    Frankfurt, 30. April 1816   ]


Du bist also gleich so in Feuer und Flamme, mein armes
Kind? Allerdings warst Du darin anders ehemals, das erinnere
ich mich recht wohl, und ich habe oft über die Gründe, und wie
so etwas nach und nach einem Menschen kommt, nachgedacht. Ich
begreife es doch aber recht gut. Der Mensch wendet sich mehr,
je länger er lebt, zum Ernsten und Großen hin; Du warst früher
mehr durch individuelle Beziehungen zerstreut, die Weltbegeben-
heiten sind auch nie gleich groß gewesen, haben nie mehr so das
innerste sittliche und Rechtsgefühl angesprochen. Daher haben
Dich die öffentlichen Begebenheiten mehr angezogen und ergriffen,
und das ist doch nur der Unterschied. Heftiger bist Du nicht ge-
worden. Du hast nur, was sehr hübsch ist und die innere Jugend
des Gemüts beweist, die Lebhaftigkeit, die Du immer hattest, be-
halten. Wendet sich die nun an auf das, was im Leben groß
und recht ist, so ist es auch natürlich, daß sie in eben dem Grade
heftiger wird, als das Rechte und Edle keinen Vergleich mit dem
eingehen kann, was nicht so ist. Eine Art Wendepunkt darin bei
Dir war Deine Rückkehr aus Paris nach Rom, das ist mir immer
so historisch erschienen. Übrigens ist es wieder nicht mit der Hef-
tigkeit so arg, da Du eine tiefdurchgreifende Milde hast, und wir
werden immer sehr gut miteinander bestehen, da wir in allem
eigentlich, wo es auf den Grund der Gesinnung ankommt, einig
denken und in den Nuancen Deine Ansicht immer sehr leicht auf
mich übergeht; sehr natürlich und ohne daß ich es in mir selbst
tadle, da ich, weil ich Dich so tief kenne und so eine auf Dein
wahres Wesen gegründete unerschütterliche Anhänglichkeit an Dich
habe, weiß, daß man Dir sicher, sicherer wie einem Stern auf dem
Meere, folgen kann, wenn man nur hernach in der Anwendung
im Einzelnen beobachtet, was die Umstände und so die bloß aus-
gleichende Klugheit angeben. Ich habe es immer so gemacht und
weiß und denke es oft im stillen, daß für das, was ich lobens-

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