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[   Band 5 Brief 99:    Humboldt an Caroline    Frankfurt, 7. April 1816   ]


urteile, und so ist es ganz offenbar, daß man mich unmittelbar
nach dem Pariser Frieden hätte in Berlin anstellen sollen, wenn
man das nicht wollte, in Paris, am wenigsten hier, wo ich bis
jetzt mit lauter Kleinigkeiten beschäftigt bin, und wo die Unter-
handlung immer ein anderer hätte gleich gut machen können. Gegen
die Wichtigkeit in Berlin zu sein, wo es darauf ankäme, wovon
aber gar nichts geschieht, bei einer ganz veränderten Lage Preußens,
ein System im Ganzen zu schaffen und einzuleiten, verschwand die
in Paris. Goltz mag sein wie er will, so ist auch nicht viel Wesent-
liches gewonnen, wenn man auch ganz wahr weiß, wie es in
Frankreich steht, und nicht viel verloren, wenn man darin dunkel
sieht. Preußen kann doch allein nicht handeln, und im Grunde
traue ich immer noch mehr Goltzens Berichten als den militärischen,
deren ewig vorgefaßte Ansichten wirklich wenig Glauben verdienen.
Die Reklamationssachen haben doch auch nur eine untergeordnete
Wichtigkeit, allein für diese müßte ich jetzt gerade in Paris sein,
und jetzt bin ich nicht da. Du wirst Dich vielleicht wundern, warum,
da ich das alles sehr klar weiß, ich es nicht sage, und stark sage,
und zu ändern suche? Allein ich habe vollkommen recht, es nicht
zu tun. Was ich tun möchte, es bliebe unwirksam und brächte
niemals das Rechte hervor. Man nähme mich vielleicht hier weg
und schickte mich nach Paris und gerade zum unrechten Augenblick,
man stellte mich gar vielleicht in Berlin an, aber auf eine halbe
Weise. Es ist eine ewige Regel im praktischen Leben, in seinem Beruf
zu bleiben und nicht daraus heraus in etwas anderes hineinzupfuschen,
und auch das größte Gute nicht zu tun zu streben, wo es nicht in
dem gegebenen Wirkungskreis liegt. Es ist gerade die Krankheit
z. B. unseres Militärs, der Menschen überhaupt jetzt, ja selbst der
Frauen und Kinder, für das sorgen zu wollen, wozu sie nicht zu
sorgen haben. Dabei würde ich auch immer falsch beurteilt werden,
man würde es ewig für eigennütziges und ehrsüchtiges Streben

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