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[   Band 5 Brief 66:    Caroline an Humboldt     Berlin, 20. Dezember 1815   ]


66. Caroline an Humboldt               Berlin, 20. Dezember 1815

Liebes Herz!
Du wirst heute nur wenige Zeilen von mir bekommen, denn
eins ist mir auf das andere gefolgt. Es gibt, Du weißt
es gewiß auch, so unglückliche Tage, wo man mit nichts
vorwärts kommen kann. Eben nun wollte ich Dir schreiben, als
August mit Adelchen ins Zimmer tritt. August ist nämlich zum ersten-
mal gestern wieder ausgegangen, er sieht indessen noch schlimm aus *)...
Ich habe Deinen Brief vom 8. bekommen. Es ist mir süß und
rührend, daß Deutschland als Deutschland Dich so bewegt. Caro-
linen wirst Du nun nicht mehr in Deiner Nähe haben, es ist mir
oft schmerzhaft und verwunderlich, daß Caroline so bei nichts recht
aushalten kann, sie hat wie ein ewig irres Sehnen, was sie mit
sich herumträgt, man könnte sagen, dies Sehnen sei auf etwas Außer-
irdisches gerichtet. Nein, das ist es aber auch wieder nicht und
gerade, daß es das nicht ist, macht ihre Unruhe etwas schmerzlich.
Den Agamemnon hast Du also vollendet? Ich freue mich sehr
dazu. Schicke mir doch, wenn Du ihn nicht bedarfst, die erste
Ausgabe in gelbem Einband zu, ich bitte Dich.
Was Du mir über das Nichtherkommen nach Beendigung der
Geschäfte in Frankfurt sagst, begreife ich ganz. Es macht mich
sehr traurig, Dich jetzt nicht zu sehen, aber tadeln kann ich Dich in
nichts. Du wirst mir aber auch nicht böse sein, wenn ich jetzt
nicht nach Frankfurt kommen konnte. Wie sehr sehnte ich mich
danach! Allein Wolfart sagt und behauptet, er könne es in seinem
Gewissen nicht zugeben. Ich vermute wohl, daß er die nächsten
Momente der Muße dazu verwenden wird, Dir zu schreiben. . . .
Lebe wohl, mein teures Leben. Sonnabend ein Mehreres.

———
*) Hedemann war an einer Halsentzündung gefährlich krank gewesen.

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