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[   Band 5 Brief 53:    Caroline an Humboldt     Berlin, 9. November 1815   ]


sie niemand von allen ihren Umgebungen, höheren und niederen,
durchaus niemand bei sich behalten.
Die Russen haben sich gar nicht hier beliebt gemacht, durch-
aus ein air de supériorité annehmen wollen, wie wenn man es
ihnen allenfalls zu danken hätte, daß man chez soi wäre. Be-
sonders ist unser Militär sehr schwierig gegen die Russen, und die
Bürger sind durch das hier durchgekommene russische Regiment,
König von Preußen, weidlich geplagt worden. Mit einem Wort,
dieser ganze séjour des Kaisers hat gar nicht zu seiner Verherrlichung
beigetragen.
Rauch hat am letzten Tage den Kaiser für Ostermann model-
liert, wobei Se. Majestät sehr gnädig gewesen sind.
Ich danke Dir für den Brief von Perlin in den französischen
Zeitungen. Ich finde ihn echt spanisch, aber sehr hübsch. Mit
einer solchen entschiedenen Natur könnte auch eine fremde Eigentüm-
lichkeit wie z. B. die deutsche gegen die spanische bestehen, mit dem
französischen Wesen aber durchaus nicht. Doch halte ich es für
eine der allerschwierigsten Lebensaufgaben für eine deutsche Frau,
einen anderen als einen deutschen Mann zu haben. Und umge-
kehrt, obgleich das Verhältnis der Geschlechter es dem Mann etwas
leichter macht.
Ich erwarte, daß Du mir schreibst, ob ich Dir vielleicht nun
nach Frankfurt so viel Tischwäsche und Bettwäsche schicken soll, als
Du etwa in Paris, bis ich komme, brauchen könntest. Ach, ich
fürchte, Du kommst, wenn in Paris nicht etwas Unberechenbares
vorgeht, nicht von dem Posten los. Ich will gewiß kommen, sobald
ich kann, ach, aber Monate gehen immer darüber hin!
Nun Adieu, süßes, teures, einzig liebes Wesen.
Ewig Deine treue Li.

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