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[   Band 5 Brief 50:    Humboldt an Caroline    Paris, 1. November 1815   ]


lich freilich nur Legationssekretär bei Ölsner *). Da dieser aber zu-
gleich in Stuttgart und Karlsruhe akkreditiert ist, so ist er eigent-
lich so gut als immer allein. Ich sagte ja lange, daß die kleine
Levy **) Exzellenz werden würde. Wieviel fehlt nun daran? Die
Lohnbedienten nennen sie gewiß schon in Karlsruhe so. Der gute
Kanzler hat diese Wahl gemacht, ohne mir und Jordan ein Wort
zu sagen. Ich habe ihm, wie ich’s leider zu spät erfuhr, Vor-
stellungen dagegen gemacht. Ich hätte noch nichts gegen den so-
genannten Jakobinismus von Varnhagen, wenn wahrer Ernst
dabei wäre. Aber es ist mehr Eitelkeit, und ein taquines Wesen,
die Leute zu ärgern und zu äffen. Dabei die Dame, der Stamm
Levy, die Bundeslade! Wie soll das auf den Großherzog ***) wirken,
und was ist gerade für ein Gewinn dabei, daß er dort angestellt
ist, solche Nachteile zu überwiegen?
. . . Bei unseren Finanzen fallen mir die des Staates ein.
Auch das geht nicht übel. In diesem ersten Jahr, nämlich vom
Einrücken unsrer Truppen in Frankreich bis 1. Januar 1817 be-
kommt Preußen, wenn man das schon Erhaltene und noch zu Be-
zahlende zusammenrechnet, doch ungefähr 90 Millionen Franken,
immer eine ansehnliche Summe und mehr, als irgendein anderer
der Alliierten. Dies unter uns.
Lebe wohl, teure, süße Seele, umarme die Kinder.
Ewig Dein H.

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*) Konrad Engelbert Ölsner, geb. 1764, gest. 1828, preußischer Le-
gationsrat. Siehe Galerie von Bildnissen aus Rahels Umgang 2, 113ff.
**) Rahel Levin, geb. 1771, † 1833, seit 1814 vermählt mit Varnhagen.
***) Karl Ludwig Friedrich, Großherzog von Baden, geb. 1786, † 1818.
Seit 1806 vermählt mit Stephanie Beauharnais, Nichte der Kaiserin
Josephine, Adoptivtochter Napoleons.

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