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[   Band 5 Brief 40:    Humboldt an Caroline    Paris, 4. Oktober 1815   ]


schreiben, wie ich es empfinde, hier den Winter allein zu bleiben.
Man liebt sich immer gleich herzlich; aber man ist manchmal mehr
wie ein anderes Mal der Sehnsucht fähig, wie man nicht immer
im Leben gleiches Vermögen hat, auch das Eigentümlichste zu um-
fassen, und mir ist, als hätte ich mich nie so gesehnt, Dich hier zu
haben, als diesmal. Aber ich begreife alles und billige Dich ganz und gar.
Ich hatte nicht Zeit, Dir neulich die Friedensbedingungen zu
schreiben. In kurzem sind es (ganz unter uns) folgende: Frankreich
gibt heraus, was man ihm im letzten Frieden gelassen hat und
bleibt in den Grenzen von 1790, also bekommt Belgien, Deutschland
und Sardinien das damals Abgetretene zurück. Was vom alten
Frankreich außerhalb lag, verliert es auch, also namentlich die
Festungen Landau, Philippeville und Marienburg. Landau be-
kommt Österreich oder Bayern, wer von beiden auf dem linken
Rheinufer bleibt. Die beiden anderen erhält der König der
Niederlande. Dann gibt Frankreich an uns die Festung Saarlouis
mit gehörigem Gebiet. Hüningen wird geschleift und innerhalb
drei Lieues von Basel darf keine Festung angelegt werden. Frankreich
zahlt 700 Millionen Kontribution, wovon ein Viertel zu neuen
Festungen verwandt wird. Wir und England bekommen, als die
am meisten getan haben, 50 Millionen mehr. Unser ganzer Anteil
wird gegen 140 Millionen Franken machen. Endlich bleiben 17
französische Festungen von 150 000 Alliierten auf französische
Kosten fünf Jahre lang besetzt, wenn man nicht nach drei findet, daß
Frankreich gehörig ruhig ist.
Jetzt steht auch in französischen Zeitungen, daß die Aachener
Säulen sur les instances du Baron de Humboldt hier geblieben
sind. Eine Bosheit eines Deutschen, vielleicht Varnhagens *). Dieser
hat es, im Vorbeigehn gesagt, doch dahin gebracht, daß selbst der
so unendlich gutmütige Kanzler ihn giftig und boshaft nennt. Er

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*) Karl August Varnhagen v. Ense, geb. 1785, † 1858, Schriftsteller.

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