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[   Band 5 Brief 22:    Humboldt an Caroline    Paris, 29. August 1815   ]


junge Frau doch besser sei, für sich mehr Selbständigkeit zu gewinnen.
Dies geht in die Erziehungsideen ein, mit denen ich nicht sympa-
thisieren kann, weil wir uns unter ganz anderen Umständen
geheiratet haben. Aber was viel hübscher und rührender in August
ist, ist, daß er sich einbildet, daß der Friede nur kurzdauernd sein
wird, daß man nicht aus jedem Krieg so wohlbehalten zurückkehrt,
und daß also das Wichtigste, was er im Leben zu tun hat, ist,
sich ganz innig und eng mit Adel zu verbinden, wo ihm jetzt die
Gegenwart jedes anderen Wesens außer ihnen beiden eine Art der
Störung scheint, wenn er auch viel zu zart ist, es so auszusprechen.
Ich sage Dir dies so ausführlich, weil ich auf einmal eine
Art Schreck bekommen habe, daß auch der Plan, Carolinen und
gar Heyse und Hermann bei ihm und Adel zu lassen, ihm viel-
leicht im Tiefsten der Seele nicht angenehm ist. Dagegen geäußert
hat er nie das Mindeste und Leiseste, das kann ich versichern,
allein seitdem er die Theorie des absoluten Alleinseins offenbart
hat, habe ich auch nie das Herz gehabt, die Sache wieder recht
zur Sprache zu bringen. Dir wird das Wirken auf ihn besser
gelingen, und Du wirst dann bald sehen, wie es zu machen ist.
Auf keinen Fall, denke ich, kann es so weit gehen, daß Du darüber
später kämst. Es wäre wirklich traurig, wenn, damit Adel und er
recht unauflöslich zusammen wären, wir getrennt sein müßten.
Es ist mir unendlich süß, mit Dir so offen und ohne allen
Rückhalt über diese Eigenheit Augusts reden zu können. Wir ver-
stehen uns beide in jeder Beurteilung, wir fühlen beide das Glück
für Adelheid, einen Mann gefunden zu haben, der wirklich keinen
anderen Gedanken, keine andere Empfindung, als sie, hat. Wir
sind beide überhaupt im Leben gewohnt, jeden Menschen in seiner
und nicht in unserer Art zu nehmen. Es ist aber sehr wichtig,
daß Du von diesem allen genau unterrichtet bist.
Ich gehe zu einer anderen Sache über, die mir aber auch sehr

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