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[   Band 4 Brief 265:    Caroline an Humboldt     Berlin, 4. April 1815   ]


Brust ist mir vor Schmerz und Freude voll, wie noch niemals
im Leben. Deine Li.


266. Humboldt an Caroline                Wien, 9. April 1815

Es ist schon gegen 3 Uhr, liebe Li, allein ich sehe voraus,
daß ich morgen vormittag nicht Zeit zum Schreiben
haben werde, also sage ich Dir noch einige Worte der
Liebe und des Dankes für Deinen unendlich teuren Brief vom 4.,
den ich heute früh bekommen habe. Er und seine Beilagen haben
mich, wie ich es auch Hedemann und Adelheid sage, auf das tiefste
gerührt, aber auch unaussprechlich gefreut. Du weißt, daß ich
wie Du diese Heirat immer schon in der Idee sehr liebte, ich bin
zuversichtlich überzeugt, daß es fast unmöglich ist, einen edleren,
besseren, zarteren, verständigeren Menschen zu finden, als Hedemann.
Das alles aber wußte ich, allein was mich so tief ergriffen und be-
wegt hat, ist Adelheids Brief *). Ich habe ihn heute unzählige Male
gelesen und kann immer von meiner Verwunderung nicht zurück-
kommen. Es ist unmöglich, einfacher und edler und gemütvoller
zu schreiben, es ist eine Verbindung von Kindlichkeit und Tiefe
in den wenigen Zeilen, von der man sich so keinen Begriff machte;
ein Gehalt und eine Sprache, die mich bei jedem neuen Lesen aufs
neue in Staunen setzen. Es schmerzt mich unglaublich, daß sie
nun so schnell und so furchtbar getrennt werden sollen, ich hätte
wie Du gewünscht, die Verbindung hätte noch früher geschehen
können, und wünschte es noch.
Ich danke Dir unendlich, daß Du mit der nur Dir eigenen
liebevollen Güte mir alles so ausführlich erzählst. Gabrielle ist ein

———
*) Vgl. Gabriele v. Bülow. Ein Lebensbild. 13. Aufl. Berlin 1909.
S. 88.

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