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[   Band 4 Brief 224:    Humboldt an Caroline    Wien, 20. Dezember 1814   ]


kriklich und tadelt einem auch, was man besser und mit mehr Ge-
schmack beurteilt.
Hermann ist freilich dagegen auch eigensinnig, willkürlich und
kühn, ändert den Text, wenigstens die Versabteilung gewiß auch oft
umsonst und macht mir dadurch manchmal unnötige Mühe. Am
leichtesten wäre es gewesen, ganz für mich zu bleiben, da ich vor
dem, was gerade Fehler sind, durch mich selbst sicher bin. Allein
da mir daran lag, daß man sollte meine Übersetzung mit dem Text
vergleichen können, so wollte ich sie auch einem bestimmten Text
in allen Stellen, wie ein Gedicht einer Musik anpassen, und ich
bleibe dabei, daß ein Übersetzer, der nicht selbst Herausgeber sein
kann, daran besser tut. Auch werde ich das in der Vorrede sagen.
Es soll nicht leicht, was man auch sonst sagen mag, eine für die
Worte so treue und für die Silben so korrekte Übersetzung geben.
Wenn sie nur fertig wäre!
Aber die armen Berliner Straßen! Ich liebe immer mehr
die Straßen in den Städten wie die Häuser. Und die Berliner
vor allen, in denen ich in gleicher Dunkelheit oft ganze Nächte
allein herumstrich. Ich habe viele der Ideen, die den bleibendsten
Einfluß auf mich gehabt haben, auf der Straße gehabt.
Gabriellens Diktum über den armen Tegelschen See ist prächtig.
Sie hat unendlich viel Verstand, das kleine Ding, eigentlich mehr
als alle anderen.
Bei Gneisenau entschuldige mich, daß ich ihm nicht schrieb.
Sage nur, eine bestimmte Antwort sei nicht nötig gewesen, und ich
hätte viel zu tun gehabt. Er war (ganz unter uns) für das Bleiben
des Königs von Sachsen in Sachsen. Sondiere ihn, ob er es noch ist?
Lebe wohl, teures einziggeliebtes Kind. Ewig Dein H.

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