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[   Band 4 Brief 203:    Humboldt an Caroline    Wien, 2. November 1814   ]


noch unendlich viel mit jenem ersten Hauptpunkt zusammen, so
daß jene Stockung alles übrige hervorbringt.
Neben diesen wichtigen Negoziationen hat man nun noch sich
durch die Unvorsichtigkeit im Pariser Frieden einen Kongreß hierher
zusammenzuberufen, eine ganz unnütze Not von Formen auf den
Hals geladen, die keineswegs gleichgültig ist, da Frankreich und
Spanien, die sonst nichts zu tun haben, ewig damit treiben und
quälen. Frankreich hat natürlich noch die Nebenabsicht, immer zu
suchen unter dem Vorwande des Kongresses, Hand in Dinge zu be-
kommen, die evident nur der Entscheidung der anderen Mächte vorbe-
halten bleiben müssen. So kommen jetzt die üblen Folgen, die das Auf-
schieben vieler Dinge von einer Epoche zur andern gehabt hat, zu-
tage, man kann jetzt nicht mehr aufschieben, und weiß nun nicht
aus der Verlegenheit zu kommen.
Während des ganzen Krieges hat man schlechterdings nur
immer Napoleons Sturz vor Augen gehabt, seinen eigenen Kräften
lange nicht genug getraut, und alles nur mit Begierde ergriffen,
was jenen Zweck noch sicherer zu machen schien, sowie alles ent-
fernt, was ihn nur einen Augenblick in Zweifel gesetzt hätte.
Darum hat man sich nie vorher in dem einzigen richtigen Moment
über Polen mit Rußland vereinigt und hat nie gegen Bayern
und Württemberg die rechte Sprache geführt. Alles das rächt
sich jetzt schmählich, und es erwachsen Schwierigkeiten, wo man
sonst ganz ebenen Pfad gehabt hätte.
Soeben kommt Dein Brief aus Auleben an. Da Du den 22.
nach Burgörner gegangen bist, so scheint es mir sicher, daß Du
beim Eintreffen dieses Briefes in Berlin sein wirst.
Lebe wohl, Einziggeliebte. Dein H.

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