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[   Band 4 Brief 136:    Caroline an Humboldt     Wien, 4. März 1814   ]


Wie schlecht die arme Ramdohr war, habe ich Dir gar in den
ersten Tagen nicht sagen mögen, denn ich befürchtete, daß Du sehr
schwarz für mich sehen möchtest. Es ist mir hingegen ein recht
süßes Gefühl, ihr mit das Leben haben retten zu helfen, denn die
Menschen leben einmal gern. Gott weiß, wenn ich Ramdohrs
Frau wäre, ich glaube, ich machte mir nicht recht viel draus. Dann
habe ich aber auch in dieser in mancher Hinsicht peinlichen Zeit
recht viel gelernt, recht viel in mir gewonnen und erfahren. Über-
morgen wird das kleine Mädchen getauft, Pauline, Jeanne *) und
ich halten es zur Taufe. Mir tut die Abreise Jeannes unendlich
leid. Sie hat etwas sehr Liebes und Tiefes im Charakter.
Über die kleine Gabrielle und die Adoration, die man ihr zollt,
mußt Du Dich nicht so sehr wundern. Adelheid fällt mehr in die
Augen, auch weil sie schon erwachsener erscheint, dann die schöne
Haltung, un port de reine, überhaupt den bewundernswürdigen
Anstand, der nicht erlernt wird, sondern von innen herausstrahlt.
Allein Gabrielle hat etwas unbeschreiblich Anziehendes, Süßes,
Schwärmerisches und ist seit einigen Monaten auch bedeutend ge-
wachsen. Koreff zum Beispiel, der ihr den Beinamen Undine
gegeben hat, ist ganz wie verzaubert von Gabrielle, da er sich nur
ehrerbietig vor Adelheid neigt. Gentz war neulich abend wie außer
sich über des Kindes Lieblichkeit. . . .


137. Humboldt an Caroline             Chatillon, 8. März 1814

Ich habe diese Nacht einen Kurier aus dem Hauptquartier
bekommen, liebe Li, der gestern von dort abgegangen ist.
Es ist zwar nichts einzelnes Bedeutendes vorgefallen, aber
die Lage der Dinge ist sehr gut und beruhigend.

———
*) Vgl. S. 258.

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