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[   Band 4 Brief 93:    Humboldt an Caroline    Frankfurt, 22. November 1813   ]


93. Humboldt an Caroline            Frankfurt, 22. November 1813

Ich schrieb Dir, daß Bülow jetzt Finanzminister ist. Er
wird manches Vorurteil gegen ihn zu bekämpfen haben,
da man ihm immer vorwerfen wird, Hardenbergs Neffe
zu sein und in Westfalen gedient zu haben. Allein er ist fein,
schlau und entschlossen und wird jetzt durch und vielleicht einmal
ohne Hardenberg herrschen. Wenn ich die Stelle annahm, wie
mir Hardenberg sie anbot, war ich eigentlich der Herrschaft über
den Staat gewiß. Wer als Finanzminister zugleich Fähigkeit
hat, Auswärtiger zu sein, gegen den kommt niemand auf. Allein
ich habe sehr recht getan und werde recht tun, mich zurück- und
fernzuhalten. So mit und durch und unter einem Staatskanzler
hineinkommend kann man das nötige Gewicht nicht haben oder es
nicht recht haben. Nehme ich je an den Angelegenheiten im Lande
teil, muß es sich auf andere Art fügen. Ich habe in Absicht
meiner öffentlichen Stellungen bis jetzt noch immer einen richtigen
Takt gehabt und denke, er soll mich auch hier nicht verlassen.
Für mich und die Befriedigung meiner Wünsche suche ich ohnehin
nichts. Was ich auf Erden haben kann, habe ich gehabt und
besitze ich noch. Nur die Fortdauer und der ruhige Genuß kann
mir als Zuwachs gelten. Dich, die Kinder, mich selbst, da ist der
Kreis voller und reicher geschlossen, als ich es je verlangen
konnte.
. . . . Ach! Du glaubst nicht, wie ich mich oft aus diesem irren
Getümmel in jene Einsamkeit [die römische] wünsche, und wäre es
die unbequemste und dürftigste. Das große, tätige Weltleben mag
wohl schön und groß und nützlich aussehen und sein. Aber ich
bin nun einmal immer gestimmt und geneigt, seine Kleinheit und
Leere und Hohlheit zu fühlen, seine Unreinheiten zu bemerken und
es von allem Pathetischen in mir zu entkleiden und nur das

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