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[   Band 4 Brief 76:    Humboldt an Caroline    Leipzig, 20. Oktober 1813   ]


Tote lagen, bemerkte ich, daß ein scheinbar Toter noch eine Hand
rührte. Wir ritten heran, er hatte eine starke Kopfwunde, aber
zuckte noch. Wir ließen Leute herankommen, und obgleich er
gar kein Zeichen gegeben hatte, daß er unsere Bemühungen für
ihn hörte oder achtete, so fühlte er nicht so bald, daß man ihn
anfaßte und ihm half, als er alle Kraft zusammennahm und sich
mit aufhalf. Wir brachten ihn ins Dorf, er sprach aber gar nicht
und ist vermutlich doch gestorben.
Hier ging ich gleich zum König. Er nahm mich sehr freundlich
auf und nahm mich mit zum Kronprinzen von Schweden, der
mich sehr ausgezeichnet hat. Schlegel ist hier, ich habe ihn aber
nicht gesehen. Da Hardenberg nicht hier ist, hat der König ge-
wollt, daß ich bis zu seiner Ankunft hier bleibe.
Den Nachmittag ging ich in der Stadt bei den Verwundeten
und Gefangenen herum. In der Thomaskirche liegen an 700 ge-
fangene und verwundete Franzosen, von denen heute abend seit
dem 16. und 18. noch keiner verbunden war. Von dem lugubren
Anblick der halbdunkeln Kirche mit dem dumpfen Gewinsel und
Gestöhn hat man keinen Begriff. Die Gefangenen herdenweise
von den Kosaken wegtreiben zu sehen, ist auch ein eigenes Schauspiel.
Zu Hermann ging ich, um über den Agamemnon mit ihm
zu sprechen. . . .


77. Humboldt an Caroline                Leipzig, 21. Oktober 1813

Der Staatskanzler ist heute hier angekommen und hat Metter-
nich und Stein bei sich zum Essen gehabt. Da aber der
König ihn selbst einlud, so habe ich die Honneurs gemacht.
Blücher ist Generalfeldmarschall geworden, er hat sich wieder bei der
Verfolgung des Feindes sehr ausgezeichnet. Der König von Sachsen

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