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[   Band 4 Brief 65:    Humboldt an Caroline    Teplitz, 1. Oktober 1813   ]


enthalten Deine Briefe immer noch so viel mehr, daß sie auch
dadurch eine unendliche Freude machen.
Mit Stadion bin ich während der Zeit meiner Anwesenheit
im Hauptqnartier sehr vertraut geworden, und sein Weggehen ist
ein wirklicher Verlust für mich. Wenn ihm auch vieles abgehen
mag, um eigentlich recht gut für große Geschäfte zu taugen, so hat
er doch auch unendlich wichtige Seiten dazu, und vor allem etwas
Edles und Einfaches im Charakter, was ihm einen sehr hohen
Wert gibt. Seine Fehler sind ganz vorzüglich das Verderben,
das die Sozietät an ihm ausgeübt hat, und das sich hernach immer
wieder am Menschen rächt. Er lebt ganz vorzüglich darin, und es ist
die am wenigsten lobenswürdige Seite an ihm, daß er, wenn man
von Geschäften absieht, dann für nichts außer ihr eigentliches
Interesse hat.
Caroline wird gewiß ruhiger bleiben, wenn Adolf nicht da ist,
es müßten denn besondere Gründe zur Besorgnis eintreten. Sie
hängt sehr in fröhlichen und traurigen Eindrücken von der Gegenwart
ab, und das Entfernte wirkt nicht so stark auf sie.
Die Stelle aus dem Briefe der Fräulein Röder *) ist sehr schön
und höchst merkwürdig, wie Du ganz recht sagst, in einer so ein-
geschränkten Lage und Erziehung. Es ist eine ausgezeichnete
Familie, in der alles aus dem Inneren aufsteigt und sich ohne
große Hilfe entwickelt. Die Stelle, die Du mir abschreibst, hat
wirklich etwas Großes und Tiefergreifendes. Der andere Bruder
ist nun auch tot, **) und sie muß zwei beweinen. Die Schläge des

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*) Caroline v. Röder, Tochter des am 3. April 1821 zu Grottkau ver-
storbenen Generalmajors a. D. Heinrich v. Röder; 1822 vermählt mit August
v. Wolff, zuletzt Generalmajor und Brigadekommandeur, † 17. Januar 1857.
**) Gemeint sind die beiden Brüder Wilhelm v. Röder, als Major im
Generalstabe des II. Armeekorps (v.Kleist) am 30. August 1813 in der
Schlacht bei Kulm gefallen, als er das I. Bataillon des 2. Westpreußischen
Regiments (jetzt König Wilhelm-Grenadiere) zum Sturm auf das Dorf

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