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[   Band 4 Brief 46:    Caroline an Humboldt     Wien, 9. August 1813   ]


genommen und Theodors Waffen. Die Ramdohr ist eine artige,
kleine, nicht hübsche und nicht häßliche Frau, sehr lebhaft, sehr ein-
genommen von Rom, sehr besorgt um ihr weiteres Fortkommen,
sehr ermüdet von der zehntägigen Tag- und Nachtreise. Ich habe
ihr das grüne Zimmer angeboten auf ein paar Tage, sich auszu-
ruhen, und sie hat es mit großem Dank angenommen und amüsiert
die Kinder durch alle ihre Geschichten von Rom. Ich hoffe, Du
wirst nichts dagegen haben. Allein ihr verlassener Zustand rührte
mich sehr, und die Bravheit, den Rochow befreit zu haben, dachte
ich, muß man doch auch belohnen. Sie will nach Hannover gehen.
Sie hat sich eigentlich durch die Reise hierher Schaden in der Zeit
und im Gelde getan. Nicht wahr, Du bist nicht böse, daß ich ihr
hier einige Tage Ruhe gegeben habe? *)
Wie mir übrigens die Tage hingehen, wie es in meinem
Innern aussieht, kannst Du, der Du mich kennst, wohl denken.
Wenn die eben hinfließenden Stunden Kämpfe gebieten, so werden
sie blutig sein. Man trägt in das Gefühl des Lebens keine Ein-
heit, wenn man die Gegenwart sozusagen nicht schon als gewaltige
Geschichte betrachtet —— ach, die Schmerzen des Herzens, die, die
es treffen, und die, die es ahndet, widerstreben dieser großen Ansicht,
und doch drängt sich’s einem mit jedem Moment auf, daß es so ist,
und daß das gewaltige Schicksal jeden Moment, den des unaus-
sprechlichsten Schmerzes wie den der höchsten Freude, nur immer
zurückdrängt in die Vergangenheit. So geht es vorwärts, entgegen
dem stürzenden Strom der Zeit, und die abfließenden Wellen
nehmen uns bald vielleicht mit in ihre Kühle. — Wenn die An-
strengungen der Lebenden Geistesfreiheit, Gesetzmäßigkeit, Ordnung
und Menschlichkeit zurückbringen dem künftigen Geschlecht, so muß

———
*) Diese Ruhetage dehnten sich bis zum 24. April 1814 aus, nachdem
Frau v. Ramdohr am 12. Februar im Humboldtschen Hause einer Tochter
das Leben gegeben hatte.

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