< zurück      Inhalt      vor >                                          
[   Band 3 Brief 227:    Humboldt an Caroline    Eger, 14. September 1810   ]


Turm vor dem Garten in die Höhe ragend, daß es ein ordentlich
gräßlicher Anblick ist. Es sind im Garten Tannen davor gepflanzt,
aber ich ging zufällig durch diese durch, und es kam mir ein ordent-
licher Schauer, vorzüglich da es schon Mondschein war, an, wie
ich manchmal vor Gebäuden habe. Die Kirche war wie der leib-
haftige, christlich-gotische Tod. Wie ich es der Fürstin erzählte,
sagte sie mir, ihr habe die Kirche immer denselben Eindruck gemacht,
und da ihr Kind darin begraben sei, so habe der vorige Fürst
diese Tannen vorpflanzen lassen, um sie zu verdecken.
Ich habe mich bis zu Ende in Schwarzburg sehr gut amüsiert.
Wir gingen immer bis 9 Uhr spazieren, das Wetter war und ist
noch himmlisch und die Gegend im Mondschein sehr anziehend
ernst und melancholisch. Den Tee tranken wir immer draußen und
meist im Walde, es wurde dann Feuer gemacht. Einen Morgen
habe ich den Schillerschen Macbeth vorgelesen, den Abend wurden
wieder Gespenstergeschichten erzählt.
Es ist angespannt, bestes Kind, und ich muß hier schließen.
Tausendmal Adieu!


228. Caroline an Humboldt                  Rom, 15. September 1810

Ich habe eine sehr heftige Migräne und Zahnweh, alles
auf einer Seite gehabt, und es hat mich in diesen Tagen
sehr gestört. Aber heute ist mein Gesicht ganz ent-
schwollen. Seit drei Tagen regnet, tobt und donnert es so ge-
waltig, daß es mir immer vorkommt, als geschähe es expreß zu meiner
Abreise. Unsre meisten Meublen sind versagt, morgen werde ich
vieles bezahlt bekommen. Wenn es möglich ist, so richte Dich nur
provisorisch ein, bis ich komme, ich habe über die häuslichen Dinge
jetzt, glaube ich, mehr Entendement wie ehemals. Ich hoffe den

                                                                       476