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[   Band 3 Brief 184:    Caroline an Humboldt     Fondi, 8. Mai 1810, um Mittag   ]


184. Caroline an Humboldt            Fondi, 8. Mai 1810, um Mittag

Teurer, geliebter Wilhelm!
Ich bin vorgestern früh von Neapel abgereist und komme
heut Abend nach Terracina. Ich bin über Caserta und
Capua gegangen, um dort das Schloß und in Capua
das Amphitheater zu sehen, das nicht sehr viel kleiner ist als das
Kolosseum in Rom, aber seit kurzem sich unendlich zerstört hat. In
Caserta ist die Wasserleitung das merkwürdigste, wirklich sehr groß
und imponierend. Das Schloß sehr königlich und prächtig, aber
mit den Gartenanlagen doch noch unvollendet.
In Neapel mußte ich noch zwei Tage zugeben, um doch auf
dem Vesuv gewesen zu sein. Das Wetter war ungünstig. Endlich
den 3. Mai, unternahmen wir diese Tour. Wir fuhren um Mittag
nach Portici, ließen dort Hermann mit seiner Wärterin, und ich
und die beiden Kleinen nahmen dort Esel und Führer, und so ritten
wir hinauf zu dem Eremiten. Caroline war nicht mit, Maier
hatte es nicht zugeben wollen und gesagt, die Fatige sei ihr zu
groß, und in der Tat ist sie es so, daß ich überzeugt bin, sie wäre
nicht hinaufgekommen. Beim Eremiten restauriert man sich mit
sehr gutem Lacrimäwein, reitet dann noch 1 1/2 Miglien zwischen
lauter Lava weiter und gelangt so an den Fuß des Berges. Die
letzte Lava, die vor sechs Monaten geflossen ist, hat den Weg so
verdorben, daß er nie schlimmer gewesen ist, wie die Führer selbst
sagen. Die Fatige ist ungeheuer, weil man großenteils keinen
festen Fuß fassen kann. Indessen sind wir doch recht gut, mit
Ausruhen hie und da, heraufgekommen. Die kleinen Mädchen
laufen wie die Mäuse, und man könnte wirklich eine Reise um
die Welt mit ihnen machen. Alexander würde sich sehr freuen,
wenn er sähe, wie die kleinen Mädchen wacker sind und uner-
müdlich.

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