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[   Band 3 Brief 179:    Humboldt an Caroline    Berlin, 7. April 1810   ]


Theodor ist heute zum letztenmal in die Plamannsche Schule
gegangen. Er besucht nun mit Hellmuth *) das Friedrichs-Werdersche
Gymnasium, das auch sehr gut und seinen jetzigen Kenntnissen und
seinem Alter angemessener ist.
Der Rittmeister **) ist vorgestern ganz unvermutet bei mir ge-
wesen. Er brachte nur so kurze Zeit in der Stadt zu, daß ich ihn
nur einige Stunden gesehen habe. Aber die paar Stunden haben
mir wieder manche Verwunderung über die menschliche Natur
gegeben. Hedemann hat nicht vom Erstaunen zurückkommen können,
wie Kinder einer Mutter einander so unähnlich sein können. Er
versichert, Holwede und wir sähen gar nicht als wie zu einer Nation
gehörig aus. Er hat sich seit dem Brande ***) aber schon wieder sehr
erholt, baut sein Haus massiv und größer auf als es war, kurz,
beweist, wieviel man durch eine gar nicht sehr verstandvolle, aber
einfache und ununterbrochene Tätigkeit tun kann. Jetzt wohnt er
und seine Familie (elf Personen) in einer Stube und Kammer,
wo geschlafen, gegessen und gelebt wird. Dahin ladet er mich noch
ein und versichert, die Kammer könnten sie noch immer abgeben.
Er ist stärker geworden, hat aber beständigen Husten und ißt gar
nicht mehr mittags, überhaupt nichts, als morgens um 3, 4 Uhr
vier harte Eier und abends vor Schlafengehen wieder und das
seit Jahren. Er hat allerlei Ämter, und da er nicht Zeit hat vor
seiner Wirtschaft, sie am Tage zu versehen, so arbeitet er bis
1 Uhr nachts und steht um 3 Uhr wieder auf und schläft am Tage
nur eine einzige Stunde. Alles das hält die menschliche Natur
aus, und dabei ist er vergnügt und munter und gewinnt mit der
Qual immer nur das Leben!
Tausendmal Adieu!
Ewig Dein  H.
*) v. Laroche. — **) Vgl. S. 107. — ***) Vgl. S. 184.

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