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[   Band 3 Brief 119:    Caroline an Humboldt     Rom, 3. Oktober 1809   ]


auch nicht nach vernünftig italienischer Art. Ich glaube, sie müssen
den Winter bleiben. Mir ist es süß, aber ich kann mich nicht
recht freuen, wenn die anderen nicht gern hier sind. Ich habe
auch so eine Empfindung, wenn man Rom nicht liebt und tief
empfindet, wie wenn man einem schönen, edlen Weibe irgend eine
Gewalt antun wollte.
Du freust Dich meiner Spaziergänge, Du Herrlicher, Lieber!
Gestern war ich mit den Kindern in Villa Ludovisi und sah die
Sonne untergehen von der hohen Mauer, und die Fülle des aus-
gegossenen Glanzes auf den Bergen umher. O mein Gott! wie
ist es doch so schön! Dann ging ich hinunter, und bis es Nacht
wurde, gingen wir in den hohen Lorbeer- und Zypressengängen.
Madame H. sang letztens beim Prinzen: »Kennst Du das
Land usw.« und zwar so, daß ich mich der Tränen nicht ent-
halten konnte.
Die Staël *) schreibt mir auch sehr lieb und zärtlich. Sie hat
doch eine große Treue im Gemüt. Sie bittet mich inständig, im
Frühjahr zu ihr zu kommen auf einige Tage und spricht von ihrer
Reise nach Amerika in den bestimmtesten Ausdrücken. Sie sehnt
sich nach Briefen von Dir.
Ich habe mich eingeschlossen, um zu antworten. Die Leute
rennen mir die Tür ein, Du glaubst nicht, ich bin eine personne
de conséquence. Apropos, das Bild der Kleinen ist das schönste,
was existiert und je gemacht worden ist. Es ist nur eine Stimme
über diese Schönheit. Warum soll ich nicht sagen, es solle Dir
ein ewig Andenken sein? Man kann ja auch ein Andenken geben,
wenn man schon noch gegenwärtig ist. Und wenn ich auch stürbe,
so müßtest Du, mein teures Herz, mich überleben, nein, das könnte
mich sehr bange machen, die Kinder so allein geschleudert in der
einsamen Welt zu wissen.

———
*) Vgl. S. 12.

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