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[   Band 3 Brief 112:    Humboldt an Caroline    Königsberg, 12. September 1809   ]


nicht ausdrücken, wie ich Dich wirklich über jede andere Empfindung
liebe und ehre, und wie es mich vor allem so tief rührt, daß Du
so namenlos gut mit mir bist, aber dem in meiner stillen Stube nach-
zuhängen, ist mir eigentlich süß und stimmt mich heiter und ruhig, und
unter Menschen bin ich wie Du mich kennst. Auch wird ja die Zeit
der Trennung vergehen; das einzige, was mir peinlich ist, ist die
Ungewißheit, nicht sowohl des Wiedersehens — denn ich weiß, daß
Du so gut bist und gewiß jedesmal kämest, wenn ich es Dir
schriebe, und daß ich es also immer in zwei Monaten ungefähr in
meiner Gewalt habe — aber des schönen Wiedersehens. Denn es
wäre mir Kummer statt Trost, Dich in Deutschland zu wissen,
wenn wir nicht auch zusammen und recht ruhig und schön existierten.
Die Zukunft wird indes alles gut lösen, und auch auf mich und
meine Tätigkeit verlaß Dich. Dir zu leben und Dich zu besitzen
ist doch, wie ich sehr tief fühle, meine eigentliche Bestimmung,
und wenn das eigentlich das wahre Ziel ist, rein zu fühlen, wozu
man da ist, und was einem frommt, so habe ich den Gipfel erreicht.
Das hindert nicht, daß ich nicht vieles dabei und daneben treiben und
tun könnte. Ein Mann ist einer edlen Frau nicht würdig, wenn
er nicht sein Dasein, wo es möglich ist, an etwas Großes oder
Nützliches anknüpft, und wenn er gut tut, in der flüchtigen Jugend
auch in der Gegenwart ihr zu leben, so muß er bei vollendeter
Reife vor ihr, selbst vor den Menschen sie rechtfertigen, daß sie
ihn liebte. Seit ich Dich zuerst gesehen, habe ich unsere Be-
stimmung tief gefühlt, sie ist mir klarer und klarer geworden, und
das Schicksal hat sie begünstigt. Dies Gefühl nun leitet und stärkt
mich unaufhörlich, und wir werden des Ziels nicht verfehlen. Das
Mühevolle dabei entsteht nur dadurch, daß man eigentlich dabei
ewig auch mit den Bessern zu kämpfen hat. Keiner, der mir je
vorgekommen ist, ginge eigentlich in diese Ansicht ein, und gelänge
auch nur dahin, sie zu verstehen. In den Männern, wie z. B.

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