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[   Band 3 Brief 85:    Caroline an Humboldt     Rom, 17. Junius 1809   ]


entsteht, überall immer an Deinem Platz sein, d. h. Du wirst ihn
füllen zur Zufriedenheit der andern, aber das betrachtende Leben
wäre Deiner innersten Natur eigentlich angemessener, und es macht
mich doch manchmal traurig, wenn ich denke, daß Du tust und
treibst, was Du allein wohl nicht tätest und triebest.
Ich bin heut mit Adelheid wieder bei Schick gewesen, und er
hat noch viel in ihren Kopf hineingearbeitet. Er, der sonst nicht
ausnehmend bewundernd und lobend ist, kann sich nicht satt reden
über das Sinnige dieses Geschöpfchens und alles, was jetzt nur noch
leise von werdender Form darin angedeutet ist. Gabrielle lehnt an
die Schwester. Das ist das Bild der lieben Fröhlichkeit, und ich
möchte sagen der Wirklichkeit, so lieblich in sich beschränkt, so
kindlich süß und zufrieden. Unbegreiflich wahr und tief hat Schick
den Unterschied dieser beiden blühenden Gesichter aufgefaßt. Das
Geistige im Auge der Adelheid und um den Mund der ganz eigene
Zug von Gefühl und bewegtem Gemüt. Es ist in der Natur ein
Hauch, und selbst diesen hat sein Pinsel nachzuahmen gewußt.
Für heute, meine liebe Seele, muß ich aufhören. Adieu, mein
teures Herz.


86. Humboldt an Caroline           Königsberg, 16. Junius 1809

Dein Briefchen vom 10. dieses Monats hat mich, ungeachtet
seiner Kürze, sehr glücklich gemacht, da ich sehe, daß Du schon
wieder ausgefahren bist. Du schreibst von den Bergen
und warst also ja wohl am Lateran. Genieße, teures, liebes Herz,
noch recht die himmlische Ferne, den Himmel, von dem man hier
kaum so viel Idee hat, als ein Träumender vom Leben, verlebe den
Sommer und Herbst recht glücklich im Genuß der himmlischen
Gegend, mit dem Annahen des Winters wird sich unser Schicksal

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