< zurück      Inhalt      vor >                                          
[   Band 3 Brief 64:    Humboldt an Caroline    Königsberg, 14. April 1809   ]


10 Uhr, und ich habe ein wenig lang geschlafen, also verzeih mir,
wenn ich hier abbreche. Wie wird es jetzt mit unsern Briefen gehn!
Scholtz war schon heute, als ich im Bett lag, hier. Er hat
gestern meinen Brief vermutlich bekommen, wo ich ihm alle Hoffnung,
den römischen Posten zu kriegen, benahm. Er dauert mich fast.
Aber ich bin unerbittlich. Einen jungen Herrn v. Marwitz *), der viel
Griechisch weiß und der ausgezeichnetste junge Mensch ist, den ich
hier kenne, hätte ich gern geschickt. Er hatte die größte Lust, und
hat mich doch gebeten, nichts zu tun, er tut aus wirklich sehr edlen
Gründen Verzicht darauf. Überhaupt findet man durch jung und
alt, Männer und Frauen doch noch viel Sinn, der durch Eigen-
tümlichkeit und Trefflichkeit interessiert und freut. Ohne das hielte
es niemand hier aus. Über die Länge meines Aufenthalts kann ich
noch nichts bestimmen. Sobald ich meine Absichten für mein De-
partement erreicht habe (denn um etwas anderes bekümmere ich
mich schlechterdings nicht), gehe ich wieder zurück.
Leb innigst wohl, teure, geliebte Seele.
Ewig Dein H.


65. Humboldt an Caroline   Königsberg, 18. April 1809

Das Leben hier, teures Herz, ist bis jetzt wenig angenehm
und kann es in dieser Stadt schwerlich je sein. Sie ist
häßlich, kleinstädtisch, teuer, geschmacklos, alles was sich
irgend sagen läßt, und doch muß man sie noch dazu hübsch finden,
wenn man nicht alle Leute aufs empfindlichste kränken will. Der
Hof hält sich eingeschlossen, in der Stadt ist wenig oder keine Ge-
selligkeit, und der Gang der Geschäfte und Verwaltung ist so bunt

———
*) Siehe S. 102.

                                                                       136