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[   Band 3 Brief 53:    Humboldt an Caroline    Berlin, 14. März 1809   ]


mäßig) in den rührendsten Ausdrücken an, nicht eine solche Schande
über sich und sie zu bringen. Der Auditeur und ein anderer Mann
unterstützten ihre Bitten. Allein es half nichts und die arme Frau
ist kurz darauf aus Kummer wahnsinnig geworden und gestorben.
Es ist wirklich eine merkwürdige Geschichte, die wieder beweist,
daß Frauen in der Regel weit mehr Mut und Ausdauer als ihre
Männer besitzen.
Grapengießer *) ist noch durchaus der alte, ebenso verschwendrisch,
obgleich nicht ganz, so zerstreut, so ewig unglücklich und verdrießlich
alle Augenblicke mitten in aller Heiterkeit. Mit den Finanzen
geht es nur gar sehr so so, und ich rette mich nur vor ihm dadurch,
daß ich meine Armut ordentlich stadtkundig mache. Die Armut
Berlins muß man Grapengießer erzählen hören. Er behauptet,
daß sich die Leute mit Fleiß umfahren lassen, um Schmerzensgeld
zu bekommen, und wirklich hat er in kurzem zwei, neulich noch ein
Kind übergefahren. Die beiden sind am Leben geblieben. Aber
neulich, bei dem Wagen der Prinzessin von Oranien, hat einer
diese Theorie zu gründlich getrieben und ist wirklich gestorben. Es
ist unglaublich, doch ist das Fahren jetzt so selten, daß es wirklich
auch schwer zu begreifen ist, wie man so wenigen Wagen nicht
aus dem Wege gehen kann.
Umarme die Kleinen und grüße alle. Ewig Dein H.


54. Caroline an Humboldt              Rom, 18. März 1809

Ich hoffe, mein geliebtes Herz, daß Du nicht mehr mit uns
in Gedanken über den Pozzo schiltst und die Zeichnungen
empfangen haben wirst, die Rauch gemacht hat. Über das
Sujet sind die Meister uneins, und Zoëga, der noch vieles

———
*) Vgl. S. 69.

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