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[   Band 3 Brief 39:    Humboldt an Caroline    Berlin, 31. Januar 1809   ]


aus Furcht vor meinen großen Augen gleich schreit, wie es mich
sieht. An besonderen Tagen kriegt das Kind tafftene Flügel an und
Bänder mit Versen beschrieben, und wird wie ein Engel ausgeputzt,
kurz, wenn man Kunths Kopfschütteln und seine Tändeleien mit
der Kleinen zusammen sieht, hat es ordentlich etwas Rührendes.
Es ist seine menschlichste Seite. Die Frau *) ist, wie alle Frauen
immer, viel besser wie er, nicht sehr klug, aber naiv, und da sie
nicht recht deutsch kann, possierlich, so geduldig und tätig und voll
Liebe zu dem Manne und dem Kinde, daß es wundert und rührt.
Grapengießer sagt, bisweilen hätte sie, da er oft doch mürrisch ist,
und sie erst gleichsam erzogen hat, sonst viel geweint. Aber aus
den Tränen ist dann doch die Überzeugung hervorgegangen, daß sie
unrecht und er recht hätte, und so glaubt sie jetzt sehr glücklich
zu sein und ist es.
Es ist ein unendlicher Schatz von Güte in einer weib-
lichen Natur, und jede leidet doch mehr oder minder. Oft denke
ich, auch mit Dir, mein allerteuerstes Wesen, möchte es so sein.
Gut bist Du überschwenglich und unendlich und hast vielleicht
auch manchmal durch mich gelitten. Gewollt habe ich es gewiß
nie, aber ein Mann kommt mir manchmal so schroff und
eckig vor, daß es mir nicht möglich scheint, daß eine Frau ihn
berührt, ohne sich zu verwunden.
Theodor war Sonntag bei mir. Ich habe einen Plan, in den
Du hoffentlich auch einstimmen wirst. Ich will ihn, wenn es geht,
bei Laroche in Pension geben und mit Laroches Sohn in die Schule
gehn lassen. So lebt er seinem Leben in Rom ähnlicher und hat
Kinder und eine sehr gute, brave Familie um sich. Er ist dann
die Abendstunden und mittags gewiß heiter, und Laroche erzieht
gut, nicht zu streng und nicht zu nachsichtig. Vermutlich geht dieser

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*) Kunth hatte 1806 die geschiedene dritte Frau des Dichters Zacharias
Werner — eine Polin — geheiratet.

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