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[   Band 3 Brief 13:    Humboldt an Caroline    Erfurt, den 22. November 1808   ]


das wir erfahren, bindet fester und unsagbarer aneinander. Deine
Gegenwart, so unentbehrlich sie mir immer war, scheint mir es jetzt
noch mehr; es ist mir, als wenn Du auch meiner mehr bedürftest,
mit einem Wort, alles mein Tichten und Trachten geht nur dahin,
bald und ohne Furcht neuer Trennung wieder bei Dir zu sein.
Allein bis jetzt scheint mir Rom dazu unentbehrlich. Ich empfinde
mit jedem Tage, daß nur da Ruhe, nur da das Element ist, in
dem sich jedes höchste und tiefste Gefühl rein und befriedigend be-
wegt. Es wäre schrecklich, das einmal gekostet zu haben, und
dann auf ewig zu verlieren. Aber das ist unmöglich. Wie die
Dinge auch kommen mögen, müßten wir auch wirklich jetzt weichen,
aufgeben tun wir das Leben dort nie. Wir sind beide noch jung
und haben noch eine lange Zukunft; wir haben beide wenig der Be-
dürfnisse, die das Leben schwer machen, und können mit beharrlicher
Sehnsucht, die in uns beiden nie auslöschen wird, auch durch manche
Windungen des Schicksals ans Ziel kommen. Alles ist noch so un-
gewiß, vielleicht gehen noch Änderungen vor. Indes denke ich ewig
an Dich, und hänge an jedem lieben Wort Deiner Briefe. Wieder
jetzt in Deutschland, wo ich doch viele Frauen gesehen, neulich in
Weimar bei Carolinen, überall fühle ich, daß Du einzig bist, daß
so viel Selbständigkeit und so viel Liebe, so viel tiefe Größe und so
viel himmlische Weiblichkeit nirgends auf der Welt sind, als in Dir.
Ich kann auch mit niemand recht von Dir reden. Selbst Caroline
ist, besonders jetzt nicht, so, daß sie Dich verstände. Aber wenn ich
allein bin, des Nachts vor allem, denke ich bloß ruhig an Dich,
und genieße da, wirklich immer aufs neue von Deiner über-
schwenglichen, unbegreiflichen Güte gegen mich gerührt, die glück-
lichsten Stunden. Mein Trost bei unsrer Trennung bleibt dann
immer, daß Du in Rom bist, ohne das hielte ich den Gedanken
nicht aus. Aber ich denke mir doch, daß dort alles, selbst der
Schmerz um Theodors und meine Abwesenheit, milder und sanfter

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