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[   Band 2 Brief 106:    Caroline an Humboldt     [Paris], 1. Oktober 1804   ]


sagen. Ich denke nur an Euch und träume immer von Euch. Gabrielle
hat mich sehr gerührt; das kleine Ding wird ein ganz neues Kind
für mich sein, es hat mich sehr frappiert, daß sie so zusammen-
hängend spricht, die liebe, liebe Kleine! Ich küsse und küsse sie
tausendmal und will nur für sie leben, wenn ich wieder bei Euch
sein werde. In Adelheids Seele hast Du mein Andenken erhalten,
teures, liebstes Herz. Louise ist gestern getauft worden, die Gräfin
Schlabrendorff, Alexander und Kohlrausch haben Gevatter gestanden,
auch ich war mit den Kindern in der Kapelle gegenwärtig. Morgen
soll Louise vacciniert werden. Aber ich sage immer noch Louise und
vergesse, daß Alexander durchaus haben will, daß sie Mathilde ge-
rufen werde. Mir ist es einerlei, auch Dir, also künftig Mathilde.
Sie wird alle Tage hübscher und wird Dich sehr freuen.
Ich bin heut vor acht Tagen ausgezogen, das macht einem
immer einige unheimliche Tage, überdem habe ich viel Unannehmlich-
keiten mit der vorigen Wirtin über Reparaturen u. dgl. gehabt. Ich
wohne nicht so schön jetzt, aber zum Ausgehn und besonders zum
Besuchen der Galerien und Museen weit gelegener, zehn Schritt
vom Pont des Arts.
Deinen Brief vom 11. September habe ich den 29. bekommen.
Ach, welch ein Brief! Er hat mir die tiefste Seele bewegt. Wohl
weiß ich und bin mir der reinsten Absichten gegen meine Kinder
immer bewußt, aber mein Schmerz über Wilhelms Tod ist oft so
brennend in mir, daß er mir alle reine Vorstellung und Erinnerung
nimmt, und die Qual meines Herzens und meiner Gedanken übersteigt
allen Glauben. Auch das muß sein; auch darin lasse ich mich gehn
und fühle, daß selbst aus diesen zerreißenden Schmerzen eine höhere
Vollendung des inneren Wesens hervorgeht.
Theodors Gesundheit manifestiert sich seit einiger Zeit sehr, er
wird auffallend größer und dicker und sieht sehr blühend aus. Das
Auge hat wieder dieselbe Größe wie das andere und beinah den

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