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[   Band 2 Brief 89:    Humboldt an Caroline    Marino, 2. August 1804   ]


sich nirgends frei umsehen kann, weil alles verwachsen ist. Bloß
von den Fenstern des Klosters übersieht man die Gegend und da
nur teilweise. Am schönsten ist sie nach dem Meere zu, und dadurch
vorzüglich, daß man sechs bis sieben Verschiedene Plane hinter- und
übereinander erblickt. Die beiden Seen mit dem Walde dazwischen,
auf der in der Mitte der Monte Gentile mit seinen Bäumen hervor-
blickt, machen ein göttliches Gemälde. Dabei übersieht man alle kleinen
Orte in der Nähe, unser Haus in L’Ariccia ganz deutlich, und in
Marino hätte ich mit dem Fernrohr gewiß die Adel erkannt, wenn
sie gerade auf der Straße gewesen wäre. Das Heruntergehn über
Rocca di Papa ist vorzüglich schön. Die Gegend sieht teilweise durch
den Wald durch und macht ewig wechselnde Gemälde. Rocca di
Papa, wohinter das sogenannte Feld des Hannibal liegt, ist der
närrischste Ort, den man sehen kann, aber nicht schön noch malerisch.
Nur die Aussicht ist himmlisch. Von Rocca kommt man durch einen
prächtigen Kastanienwald herunter. Von oben soll man auch Korsika
und Sardinien sehen können, aber gestern war es dunkles und sehr
ungünstiges Wetter. Wie ich zu Hause kam, stand die Adel schon
auf dem Balkon und ritt hernach noch auf meinem kleinen Esel,
was jetzt ihr Lieblingsvergnügen ist.
Adieu, liebste Li. Ewig mit herzlicher Liebe Dein H.


90. Caroline an Humboldt                      Paris, 6. August 1804

Ich habe mein eigentliches Ausgehn mit dem Museum wieder
begonnen, was leider nun ein vierzehn Tage, des Arrange-
ments zur Exposition wegen, ganz inaccessible sein wird.
Kohlrausch hat mich auf den schönen Faun, den man vom Kapitol
genommen hat, aufmerksam gemacht. Sieh Dir ihn an, wie er auf-

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