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[   Band 2 Brief 85:    Humboldt an Caroline    Marino, 18. Julius 1804   ]


wieder. Ich bedaure ihn nach allem, wie ich ihn schon sonst kannte
und was Du mir sagst, recht ernstlich. Es wäre ihm wirklich das
beste, er käme nach Rom. Er hat eigentlich keine Menschen, mit
denen er so gut leben könnte als mit uns. Den Ort sehe ich mehr für
gleichgültig bei ihm an. Indes hat doch Rom auch den Vorzug,
daß kein Mensch nach der Toilette fragt. Wäre Schlabrendorff ein
Mensch, der eigentlich auf Verbesserung seines Lebens dächte, so
könnte man es ihm recht ordentlich vorschlagen. Aber er ist un-
glücklicherweise lebenssatt und läßt alles so hingehen, und abscheulich
ist es, daß die Reise nach Schlesien wirklich notwendig scheint. Sitzt
er einmal da, so ist wieder schwer an ein Wegkommen zu denken.
Aber Paris ist wirklich kein Ort für ihn, wenigstens kann es jetzt
keinen Reiz haben, der den überwiegt, mit Dir und uns hier zu leben.
Ich bin heute nur bis gegen Castello zu spazieren gegangen,
weil es zu regnen drohte, aber der schönste Teil des Sees ist, wo
Du eigentlich noch nicht warst, bei Palazzuola. Man sieht da das
Meer in seiner ganzen Ausdehnung und wirklich sehr weit auf seine
Höhe heraus. Da aber der See unmittelbar vor einem liegt, so
erscheint es über dem See am Horizont, und zwischen See und Meer
läuft nun die Küste wie ein schmaler Streifen hin. Einen dieser
Tage habe ich einen Punkt entdeckt, den ich schlechterdings einzig
finde, und den ich noch dazu sehr magisch beleuchtet sah. Man
nennt die Stelle la grotta di Battiferri. Es ist zwischen Palazzuola
und Marino. Das Ufer des Sees, das dort ganz felsig ist, ist sehr
hoch über dem Rand des Wassers unten ganz ausgehöhlt und bildet
eine lange und ziemlich tiefe Höhle. Indes muß man sich nicht eigent-
lich eine Grotte denken, sondern nur eine Aushöhlung, über der ein
Felsendach halbrund herübergewölbt ist. In dem Fels sieht man
noch die ausgehöhlten Wellenlinien, die das Wasser gemacht hat,
und es ist kein Zweifel, daß der See die Aushöhlung gebildet hat.
Denn, wie Du weißt, legten die Römer den Emissar, durch den er

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