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[   Band 2 Brief 73:    Humboldt an Caroline    Rom, 19. Mai 1804   ]


Menschen, und wenn selbst das Leben ein Schmerz wäre, würde
keiner von uns beiden so lange es verlassen wollen, und sind die
Kinder groß, liebe Li, so gehören wir nur uns und unsern Gefühlen
an. Wir kehren dann wieder in den Zustand zurück, wo wir waren,
als wir zusammen kamen, das Leben hat weniger von uns zu fordern,
und wir können uns mehr und ungestörter der Liebe geben, und die
bleibt, solange das Leben bleibt. Glaube nicht, gute Li, daß ich weh-
mütig bin — und doch wehmütig bin ich eigentlich und bin es immer,
wenn ich bin, wie ich mich selbst liebe. Die Wehmut ist nur die
Ahndung dessen, was nicht eigentliches Gefühl werden kann, und
so ist alles Große. Weder mich noch Dich noch die Natur kann
ich ohne tiefe und innige Wehmut und Rührung fassen und habe
es nie gekonnt. Aber das ist auch das eigentliche Glück, und so
glücklich bin ich in hohem Grade. Meine Geschäfte, weißt Du, stören
mich nie sehr. Ich schreibe oft und denke an ganz etwas anderes.
Die kleinen Mädchen sind wohl, Adel voll Liebe, Dich hoffe ich wohl,
zufrieden mit den Kindern, und wenn Du erst in Paris bist, noch
heiterer. Meine Sehnsucht nach Dir still’ ich bald mit Erinnerungen
und bald täusche ich sie mit Hoffnungen, es ist selbst ein süßes Gefühl,
noch mehr, wenn die erste brausende Ungeduld der ersten Jugend sie
nicht zu schmerzhaft macht. Die Einsamkeit, in der ich lebe, liebe
ich unendlich, so geht ein Tag nach dem andern hin, endlich ein
Monat, und die Zeit Deiner Zurückkunft tritt immer näher. Bleibe
nur auch Du froh und glücklich, liebe, gute Li, und denke an mich,
und glaube sicherlich, daß ich bei Dir und abwesend immer und
ewig in meinem Innern eigentlich nur von dem lebe, was Du mir
bist. Umarme Theodor. An Caroline habe ich selbst geschrieben.
Von inniger Seele Dein H.

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