< zurück      Inhalt      vor >                                          

[   Band 2 Brief 41:    Humboldt an Caroline    Bordeaux, 24. April 1801   ]

schnelle Abwechselung von so verschiedenen Gegenständen, Bergen
und Tälern, wüsten Heiden und mit aller Sorgfalt des Landbaues
bearbeiteten Fluren, großen, fast unabsehlichen Ebenen und kleinen
Besitzungen, wo Acker, Garten und Weinberg unmittelbar die
niedrige Hütte umschließen, die durch das Grün der Bäume hervor-
blickt, der Anblick so vieler Städte, unter denen manche ehemals
Zeugen wichtiger Begebenheiten waren, an die sie jetzt nur noch
durch die Trümmer ihrer halbverfallenen Paläste oder ihrer zer-
störten Festungswerke erinnern, so vieler Schlösser, deren Namen
die Familien ins Gedächtnis zurückrufen, deren Glanz nun auf
immer erloschen ist, diese ganze rasche Folge von Eindrücken schließt
in der Phantasie die Grenzen eines weiten Reichs und weitgetrennter
Geschichtsepochen auf einmal in ein einziges Bild zusammen.
Der Aufenthalt in Paris hatte mich von der Natur gewisser-
maßen entwöhnt, nach der ich doch immer, ich leugne es nicht, eine
innige Sehnsucht fühle. Empfände ich es nicht schmerzlicher, als
ich selbst bei einer so kurzen Trennung es glaubte, von Dir und
den lieben Kleinen entfernt zu sein, so möchte ich Dir es eigentlich
danken, daß Du mich mit beredet hast, noch einmal den reizendsten
Winkel des abendlichen Europas zu besuchen und dort im Angesicht
der Pyrenäen und des Meeres noch ein paar Wochen zuzubringen,
um, bereichert durch diesen Genuß, dann zu Dir zurückzukehren.
Warum konntest Du ihn nicht wieder mit mir teilen? Du ver-
einigst so ganz, was sich sonst so selten verbindet, den Sinn für
stille Häuslichkeit und die lebendige Regsamkeit, die gern alle mannig-
faltigen Erscheinungen des Daseins umfassen möchte. Du verstehst
es mehr als sonst irgend jemand, alle Töne, mit welchen die Mensch-
heit und die Natur die Seele ansprechen, in der Tiefe der inneren
Brust wieder rein und harmonisch von neuem erklingen zu lassen!
Sobald wir den traurig einförmigen Weg bis Orléans zurück-
gelegt hatten, kamen wir in bessere Gegenden. Wir ließen die

                                                                       76