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[   Band 2 Brief 38:    Caroline an Humboldt     Dresden, 8. Juni 1797   ]


In Dresden bildete neben den Kunstschätzen vor allem das Körnersche
Haus für Humboldts den Anziehungspunkt. Der Umgang mit Körner war
für Humboldt gleichsam eine Fortsetzung, ein Abglanz seines Verkehrs mit
Schiller. Erst Anfang August riß er sich los und ging mit den Seinen nach
Wien. Hier zeigte es sich bald, daß es unmöglich sei, in Italien zu reisen,
denn dort brachen die Kriegsunruhen von neuem aus. Statt nach Italien
gingen Humboldts nach Paris, wo sie im November 1797 eintrafen.
Das nächste Frühjahr vereinte dann die Humboldtschen Brüder dort
auf mehrere Monate, und zwei Jahre verstreichen dem Humboldtschen Paare
schnell und genußreich. Dann aber regte sich Humboldts Wunsch, eine süd-
lichere Natur kennen zu lernen, von neuem, und im September 1799 finden
wir die Familie auf dem Wege über die Pyrenäen nach Madrid.
War auch Caroline in dem milderen Klima merklich gekräftigt, so blieb
sie doch zeitlebens zart, und es ist zu bewundern, wie sie die Anstrengung
solchen Reisens mit drei kleinen Kindern im Wagen ertrug. Auch hierin
stimmte sie durchaus mit Humboldt überein, der keine Ermüdung scheute,
leicht auf jede gewohnte Bequemlichkeit verzichtete und die materielle Seite
des Lebens ganz in den Hintergrund treten ließ.
Von dieser spanischen Reise, die nach längerem Aufenthalt in Madrid
nach Cadix, Sevilla, Valencia, Barcelona und über die Pyrenäen zurück
nach Paris ging, berichtete Caroline ihrem Vater und anderen Verwandten
in Briefen, die schon veröffentlicht sind. *) Wir erfahren dort auch, wie sie
am 17. Mai 1800, vier Wochen nach dem Wiedereintreffen in Paris, einer
Tochter — Adelheid — das Leben gab. 
Während des folgenden Jahres sehen wir Humboldt in ernste Sprach-
studien vertieft. Von Anfang an hatte er sich in Paris mit der älteren
französischen Literatur beschäftigt, seit der spanischen Reise trat das Interesse
an der spanischen Sprache und Literatur in den Vordergrund; vor allem
fesselte ihn das Baskische. Soviel Stoff ihm auch die Pariser Bibliotheken
boten, es drängte ihn doch, im Lande selbst noch nach Resten mündlicher
Überlieferung zu forschen, und so geht er, während die Seinen schon an
die Heimkehr nach Deutschland denken, im April 1801 noch einmal über
die Pyrenäen.
Von dieser kleinen Reise sind allein seine Briefe, nicht Carolines Ant-
worten erhalten. Er schreibt:

———
*) Vgl. Gabriele v. Bülow, Tochter Wilhelm v. Humboldts. Ein
Lebensbild aus den Familienpapieren Wilhelm v. Humboldts und seiner
Kinder. 1791—1887. 11. Auflage. Berlin 1905. E. S. Mittler & Sohn.

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