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[   Band 2 Brief 19:    Humboldt an Caroline    Weimar, 6. April 1797   ]


wöhnlich nur die Abende, aber die sind auch überaus hübsch. Er ist
so vertraulich, spricht so leicht über die Dinge, die ihm die liebsten
sind, wird so schön davon erwärmt und erscheint ganz, zugleich in
der eignen Zuversicht und Bescheidenheit, die ihm so ausschließend
eigen sind. Auf die Freude und den Nutzen, den ihm das Zusammen-
leben mit Schiller gibt, kommt er sehr oft zurück. Nie vorher, sagt
er, hätte er irgend jemand gehabt, mit dem er sich über ästhetische
Grundsätze hätte vereinigen können; die einzigen wären noch Merck *)
in Darmstadt und Moritz *) gewesen; allein obgleich beide mit ihm in
Absicht des Takts übereingekommen wären, so hätte er sich wenig
mit ihnen verständigen können. Zwanzig bis fünfundzwanzig Jahre
hätte er also so ganz über sich allein gelebt, und daher sei es mit
gekommen, daß er in einer ganzen langen Zeit so wenig gearbeitet
habe. Desto rüstiger scheint er jetzt. Den Plan von Hero und
Leander hat er zwar ziemlich aufgegeben; er meint, es sei ein fremdes
Sujet, das sich nie recht frei würde behandeln lassen. Aber dafür
hat er mir seinen andern Plan erzählt, von dem mir schon Schiller
sagte. Dieser Stoff ist aus höhern Ständen genommen, und damit
er doch alles Förmliche los wird und eine reine und volle Natur
bekommt, hat er eine Jagdpartie gewählt. Nur bei der Jagd, **)
meint er, zeige sich noch etwas dem Heldenalter gleichsam Ähnliches,
weil doch da jeder selbst tätig sein, selbst Hand anlegen muß. Er
läßt einen deutschen Erbprinzen, der mit im Kriege gewesen ist, im
Winter zu seiner Familie zurückkommen. Der erste Gesang fängt
mit einem Frühstück an, das nach einer geendigten Schweinsjagd
genommen wird. In den Gesprächen, die bei dieser Gelegenheit
entstehen, findet er Veranlassung, über den Krieg, über das Schicksal
der Staaten usw. zu reden und so das Interesse auf einen weiten

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*) Johann Heinrich Merck und Karl Philipp Moritz, beide bekannte
Schriftfteller ihrer Zeit. — **) Diesen Stoff bearbeitete Goethe erst 1826
in Form einer Novelle.

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