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[   Band 2 Brief 11:    Humboldt an Caroline    [Weimar], Donnerstag [1795]   ]


läßt Dich recht freundlich bitten, uns keinen Strich durch die Rech-
nung zu machen. In der Tat, liebe Li, mußt Du uns folgen. Es
wird Dich nicht reuen. Außer so vielem, was Du bei Goethe schon
sehen kannst, hat auch Meyer prächtige Sachen für des Herzogs
Gartenhaus fertig, die nicht bei ihm bleiben, aber jetzt noch hier
sind, und schon Goethe in seinem Hause zu sehen, ist interessant.
Auch sieht liebes Kind, wo Bill gewohnt hat, das tut’s ja auch
gern. Goethe inkommodiert’s gar nicht, und um es noch besser zu
machen, können wir ja die Kinder den Mittag mit Emilie und
Günther im Erbprinzen essen lassen, und vor- und nachmittag ist
in Goethes Garten hinterm Hause recht hübsche Gelegenheit für sie.
Meyer rechnet mit Gewißheit, Dich den Morgen in seiner Stube
zu unterhalten und freut sich schon im voraus. Goethe hat mich
gefragt, ob er jemand für Dich dazu bitten sollte. Ich hab’s aber
abgesagt. Wir sind hübscher allein. Dies mußte ich Dir erst von
Herzen sagen; nun, liebe, beste Li, was machst Du und die schönen
Kinder? Ist die Li recht artig und Jüngelchen hübsch gesund?
Ihr seid mir beständig vor den Augen, Ihr holden, lieben Seelen,
ich kann’s Dir nicht beschreiben wie. Als wir gestern ankamen,
kam der August Goethen entgegengesprungen, und Du hättest nur
sehen sollen, wie der Junge so lieb tat mit seiner heftigen Zärt-
lichkeit, und der alte Goethe so herzlich froh dabei war.
Ich wollte noch mehr schreiben, aber Meyer holte mich ab,
zur verwitweten Herzogin zu gehen. Eben komme ich daher zurück.
Die Wittib hat mir nicht sonderlich gefallen. Jetzt eben soll der
Herzog herkommen und wird mit uns spazieren gehen. Um die
Post nicht zu versäumen, muß ich schließen. Lebe innig wohl, küß
die Kinder tausendmal. Bill schickt Dir viele Küsse.
Du kommst doch also?

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