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[   Band 2 Brief 2:    Humboldt an Caroline    Merseburg, Dienstag nach 6 Uhr [17. Juli 1792]   ]


ich ahndete schon damals Eine glückliche Zukunft und zitterte vor jeder
andern, und doch war jede andre so wahrscheinlicher als diese. Nach
und nach löste es sich klarer, und es wurde ruhiger in uns. Jetzt ist
die Liebe, die unser ganzes Wesen beseelt, mit jedem Tage unseres
Zusammenseins namenlos gewachsen, und mit dieser Liebe hat sich so
eine himmlische Ruhe, so ein froher Genuß gegattet. Keinen Moment
unseres Zusammenseins hat mich, keinen — o, ich darf es mit Gewiß-
heit sagen, — Dich — dies Gefühl verlassen, und das alles ist Dein,
einzig Dein Werk. Deine einfach stille Größe, Deine himmlische Güte
schafft unaufhörlich dies einzig schöne Dasein. Meine Seele schmilzt
in Dank zu Dir hin, wenn ich dies so überschwenglich empfinde, und
dann fühle ich doch wieder, daß kein Dank, selbst der Dank dieses
liebenden, sehnenden Herzens, der Gabe zu genügen vermöchte. Ich
muß so abgebrochen schreiben, weil ich so gestört werde, aber ich muß
Dir doch sagen, was mein Herz unaufhörlich füllt, was mich hält
fern von Dir, was mir auch so selige Momente gewährt. Ja, ich
kann’s nicht, nicht einen Augenblick untergehen lassen, das Glück, das
Du in mir geschaffen hast. Es sind ja nur wenige Tage, die uns
trennen, dann sind wir wieder beisammen und genießen fast ein ganzes
gar nicht gestörtes Jahr des stillsten Beisammenseins.


3. Humboldt an Caroline            Coswig, 18. Juli, 1/2 11 Uhr [1792]

Ich kann Dir wieder schreiben, liebe Li, ich begegne noch einer
Post. Es ist mir so süß, Dir ein Wort sagen zu können,
fühle im voraus, wie wohl es Dir tun wird. Dein armes
Herz ist doch gewiß weh, ach! aber nicht zu weh sein, mein Liebes!
Komme bald, so bald wieder. Mit jedem Tage rückt der süße Moment
näher heran. Diese Nacht im Wagen träumt ich von Dir und Fräulein,

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