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[   Band 1 Brief 149:    Caroline an Humboldt     [Erfurt], 2. Mai 1791, Montag abend   ]


Bild in meiner trunkenen Seele, in den Äther des Himmels trug
mich Deine Liebe, und ihr Zauber duftete aus den Blumen zu
meinen Füßen. — Laß mich erst leben an Deiner Seite, laß keinen
Gedanken des fernsten Scheidens meine Seele trüben, und nur dann
erst wirst Du es ganz empfinden, welchen Segen Du über mein
Leben ergossen. O, was war ich ohne Dich, und was bin ich nun?
—— Deiner nie wert, aber doch so einzig nur lebend in dem Willen,
es zu werden, so vertrauend auf die Kraft der schaffenden, all-
waltenden Liebe! O, sage, mein Wilhelm, schwebt Deiner Seele
die Ahndung eines höheren Glückes vor, als das ich Dir zu reichen
vermag?

                                                     Mittwoch abend
Zürne mir nicht, geliebtes Wesen, über die Frage, mit der
ich Dich gestern verließ, Befriedigung meiner vermessensten Wünsche
las ich ja ewig in Deinem Auge, und doch fragt ich so gern, hörte
so gern Dich fragen. Kein Zweifel drängte uns je dazu, nur das
ewige Verlangen, den volltönenden Zusammenklang unsrer innersten
Wesen immer reiner zu hören, immer tiefer zu fassen. Oft noch
werden wir uns fragen. Meine Seele ruht so auf dem Gedanken
unsrer Zukunft. Dies einsame Sein in Burgörner, diese ewige
Nähe des geliebten Gegenstandes, mit dem die Seele einzig be-
schäftigt ist, dies Schweben des Geistes in den höchsten Gefühlen,
ach, zu was muß dies alles nicht das innerste Wesen hervorrufen!
Mein Herz umfaßt diese Zeit mit unendlicher Glut, und Tränen
der Freude stürzen aus meinen Augen, wenn ich sie denke. Ach,
daß ich sie so fassen kann, bringt ein schönes Gefühl der Einheit
in meine Seele. Oft, wenn ich zu Deinen Füßen lag, habe ich
mich gefragt, wie ich dazu käme, Dich mein zu nennen, ach, und
nie, nie werd ich mir antworten. Wilhelm, so unendlich ich Dich
liebe, so wenig ich ein Dasein kenne, das Dir nicht blüht, aber
wenn Du jetzt meine Hand verlangtest, und ich hätte nicht das

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