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[   Band 1 Brief 148:    Humboldt an Caroline    Naumburg, 1. Mai 1791, 6 Uhr   ]


wegen der Berge, nun ist überall ebener Weg von Auerstedt bis
Naumburg, in der reizenden Gegend, stand ein schweres Gewitter.
O! so herrliche Blitze, so majestätische Donner. Ich wünschte Dich
so sehnlich zu mir. Erst als ich hier ankam, fing es an zu regnen.
Nun lebe wohl, meine süße Li. Morgen um vier Uhr reise ich
ab und schreibe womöglich von Halle. Aber ängstige Dich nicht.


149. Caroline an Humboldt     [Erfurt], 2. Mai 1791, Montag abend

Mir ist unendlich weh und bang, geliebtes Wesen, fern von
Dir bin ich nur ein schwaches Weib. Wilhelm, Du mein
einziges Dasein, zürne mir nicht. Schwebte ich nicht im
Odem Deiner Liebe, wäre ich Dir nicht so alles, ach, so hätte ich
mich ja selig gepriesen, wenn das Schicksal mir vergönnt hätte,
mein Leben hinzugeben, um Dir einen schönen Moment zu schaffen,
eine Blume mehr in den Kranz Deiner Freuden zu flechten. Dir
anzugehören, Dein zu sein, ein Geschöpf, dessen Leben und Weben
in Deiner Hand liegt, an einem Wink von Dir hängt, ach, nur
dafür ging ja mein Wesen hervor! Erfüllt ist meine Bestimmung
in dem Moment, wo Du mich als Dein Eigentum empfindest, er-
füllt für dies ganze irdische Leben. Aber in einem andren Dasein
werd ich Dir schöner und reiner entgegenkommen. Meine unend-
liche Liebe, der selige Genuß der Deinen, das Überwallen Deiner
Schönheit wird jedes Gefühl in mir veredelt, jede Kraft, zu geben
und zu empfangen, ausgereift haben. Wahrer noch und Deiner
werter werd ich Dich aufzufassen vermögen, glühender werd ich Dich
lieben, ach, ewig in Anbetung vor Dir versunken ringen, Dir zu
folgen und zu nie geahndeten Höhen durch Dich mich erheben. O,

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